Full text: [Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband]] (Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband])

Hast du einmal versucht zu zählen, wie viele kleine Gäste em 
einziger alter Buchenstamm nährt? Oben, wo die ersten Hauptäste 
entspringen, hangen grünlichblaue, lappige Lungenflechten gleich Tapeten 
herab. Etwas tieser folgen verschiedene Sorten Wandflechten und 
Schüsselflechten, die einen in mancherlei Schattierungen ins Graue, 
andere ins Gelbe, wieder andere ins Olivgrüne, ins Braune oder ins 
Rötliche spielend. 
Zwischen den Flechtenlagen haben sich Moose angeheftet. Braune 
oder hellgrüne Lebermoose bilden hier sammetne Wiesenmatten im 
kleinen. Goldmoose und andere Laubmoose ahmen mit ihren kugeligen 
Büschchen kleine Gesträuche und winzige Waldungen nach. Jedes der 
zierlichen Gebilde bietet reichen Stoss zu einer besonderen Betrachtung, 
vorzüglich wenn wir das Vergrößerungsglas dabei mit zu Hilfe nehmen. 
Käser und Spinnen, Milben und Schnecken spielen die Wanderer. 
Jäger und das Wild in den kleinen Landschaften am Baumstamme. 
Braune Waldameisen haben hier eine lange Heerstraße zwischendurch 
angelegt, unten von ihrem Baue zwischen den Wurzeln bis oben hinaus 
zu den Blattläusen an dem jungen Laube, die ihre Milchkühe vor¬ 
stellen. Motten verbargen ihre Eier in die Ritzen der Borke, und 
kleine Raupen puppten sich hinter den Moosbüscheln ein. Bald werden 
Meisen und Baumläufer herzukommen und genaue Musterung und 
Ablese am Buchenstamme halten. 
Der ganze Wald bildet mit allen seinen Bäumen und Sträuchern 
eine große, traute Familie. Jeder Baum erhält hier sein Teil Licht 
und frische Lust, jeder seine Portion Erde und Wasser. Unten flechten 
sich die Wurzeln traulich iu einander, oben die Zweige. 
Zwischen den alten Stämmen sprossen Hunderte junger Buchen, 
aus den abgefallenen Nüssen entstanden. Die alten Bäume pflegen 
das jung herangewachsene Geschlecht, wie eine Mutter ihre Kinder 
und wie eine Henne ihre Küchlein. Sie schütteln allherbstlich das 
dürre Laub und die abgestorbenen kleinen Zweige ab. Diese verwesen 
zu guter Walderde, welche am geeignetsten ist, die lebenskräftigen Eckern 
aufzunehmen und die Keimpflanzen zu nähren. Die Blätter des 
letzten Herbstes decken sogar die Samen noch säuberlich zu, und der 
Wind übernimmt das Amt der Kinderwärterin dabei. Junge Bäum¬ 
chen, besonders Buchen und Tannen, sind in früher Jugend außer¬ 
ordentlich empfindlich gegen den Sonnenstrahl und den austrocknenden 
Osllvind. Sie bedürfen notwendig der Beschattung, welche ihnen die
	        
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