Full text: [Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband]] (Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband])

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blitzenden Lanzenreihen. Es ist eins mit seinem Führer: ein Wille 
beherrscht beide, ein Held sind Roß und Reiter zusammen. Das Roß 
ist des Reiters Schild, es ist sein Pfeil, mit dem er zugleich in die 
Reihen der Feinde trifft. Des Rosses Mähne flattert, eine schwarze 
Todesfahne, dem blinkenden Schwerte des Reiters voran. Es steht 
vor der Lanze, aber es zittert nicht, bleibt besonnen, unerschrocken und 
fest wie ein Fels mitten im Rauche und im Donner des Geschützes. 
Richt das Getümmel, nicht das Sausen der Kugeln, nicht der Wunden 
und Sterbenden Klagen heißen es wanken. Ist sein Führer gefallen, 
so stellt es sich in die Reihen der Genossen, es stürzt allein in das 
Gewitter der Schlacht. Und bluten ihm selber tiefe Wunden, nimmer 
vernimmt man von ihm einen Klageton, nimmer ein Zeichen des 
Schmerzes: nur Freude, nur Kampflust wecken seine Stimme. Ernst 
und langsam schreitet das Pferd hinter dem Trauerwagen des Helden, 
den es trug, einher. Die Rosse Achills weinten ob dem Gefallenen, 
Eids treue Babie^a folgte mit gesenktem Haupte ihrem Herrn zum 
Grabe. — Aber es gewinnt Mut, es erwacht sein Stolz, wenn es 
unter dem Schalle der Trompeten den Triumphwagen zieht. Mit 
goldenem Gebisse, mit funkelndem Zügel, mit Purpurdecken geschmückt, 
schreitet der Andalusier feierlich einher, trägt hoch sein Haupt, zeigt 
hell den Blick; denn auch ihm gehört der Lorbeer, und er weiß, daß 
er mit dem Herrn der Erde ein Bündnis geschlossen hat. 
Und wie das Pferd des Helden Schutz und Trutz in der Schlacht, 
so ist es auch sein Freund, sein Gehilfe im Frieden. Mit dem Krieger 
in die Heimat zurückgekehrt, legt es die Rüstung ab, zieht geduldig 
den Pflug und den Erntewagen. Es trägt bcn Reisenden hinweg 
über die rauhen Pfade der Alpen, in die Eisfelder Sibiriens und 
durchrennt mit ihm die Ebenen von Amerika. Der Zelter begleitet 
den Araber, wie dieser genügsam, in die brennenden Wüsten, trägt 
alle seine Habe, ist das Spiel seiner Kinder, ruht getreulich nebeu 
'hm unter dem gleichen Dache. Stets bleibt das Pferd ein beharr¬ 
licher, geduldiger Arbeiter, ein unermüdlicher-, rüstiger Gänger, ein 
behender Renner, ein offener, kühner Held, ein treuer Waffengenosse, 
vhne Falsch und ohne Bosheit. 
Es ist dem Menschen zugethan, ihm gewogen, gelehrig und folg¬ 
sam, durch ihn gehoben. Und wo es, seiner Leitung entzogen, frei 
"mherstreift, in den Steppen der Tartarei und Sibiriens, in den 
Llanos Amerikas, da ist es ein kleiner, struppiger Sohn der Wildnis
	        
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