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Es springt an den Schild mit der
Krallentatze.
„Ei," rief der Knecht, „verfluchte
Katze!"
Und rüstig spaltet er sogleich
Des Tieres Haupt mit einem Streich.
Voll Schmerzen brüllt's zum letzten
Mal, [35
Und röchelnd stürzt es dann zu Thal.
Der Deutsche sieht's mit kaltem Blut,
Da scheint der Pelz ihm gar so gut,
Er trennt ihn sauber mit dem Schwert
Und legt ihn hinten aufdasPferd. [40
Der Abend kam indes heran,
Und weiter zog der deutsche Mann.
So kam er in ein Dorf geritten,
Da liefen die Leute aus den Hütten
Und staunten an die zottige Haut, [45
Riefen ihm zu und jubelten laut,
Sagten, nun wäre die Gegend frei,
Er habe erlegt den großen Leu.
Als er die Männer höret sagen,
Daß er der Tiere König erschlagen, [50
Von dessen Mut und wilder Stärke
Man ihm erzählt viel Wunderwerke,
Da wendet sich der Knecht fürbaß,
Der längst den harten Strauß vergaß,
Besieht die Haut sich für und für: [55
„Eine gelbe Katze schien es mir.
Längst hätt' ich gern den Leu gesehn,
Nun ist's mir schierim Traum geschehn,
Daß ich gar einen hab' erschlagen!"
Und ritt davon mit gutem Be¬
hagen. [60
272. Friedrich Barbarossa und Hartmann von Siebeneichen.
(Adolf Strcckfub.)
Bei Susa stehet einsam ein abgelegenes Haus,
Es ruhet dort der Kaiser von seinen Nöten aus.
Ach wehe, Barbarossa, wer wies dir diesen Pfad!
Das Haus ist rings umstellet von Mördern und Verrat.
5 Es sprach der Wirt voll Reue: „Wie ist es mir so leid!
Ich wollte gern dich retten; doch nun ist's nicht mehr Zeit."
Da ries der Kaiser zürnend: „Verderben diesem Ort,
Wo fallen soll ein Kaiser durch feigen Meuchelmord!
Gott schütz' die deutsche Krone, Gott schütz' die Seele mein!
10 Und muß ich heute sterben, so soll's in Ehren sein."
Da rief ein Ritter flehend und kniete hin vor ihn:
„Herr Kaiser, eine Gnade, die werde mir verliehn!"
„Mein Reich," sprach Barbarossa, „das wird im Grab bald sein,
Drum will ich gern gewähren, kann ich noch was verleihn."
15 „Das Größte," sprach der Ritter, „hast, Kaiser, du gewährt;
Für dich den Tod zu leiden, das ist's, was ich begehrt."
Des Kaisers Purpurmantel hat er draus umgethan
Und legte dann ihm selber des Dieners Kleider an.
Der Kaiser ging von dannen, den Wächtern ries er zu:
20 „Bin Barbarossas Diener, laßt ziehen mich in Ruh'.
Die Herberg' zu bereiten, ward ich vorausgesandt,
Sein Nahen soll ich künden daheim im Vaterland."
Da ließen sie den Kaiser zum sichern Thor hinaus;
Sie selber aber brachen um Mitternacht ins Haus.