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Beifall, der eine Torheit krönt, er komme aus dem Munde eines Kö¬
nigs oder einer Fürstin, eines Helden oder eines Gelehrten, ist allzeit
Schande. Willst du die Probe davon machen, Adrast? Du hast aus
falscher Schamhaftigkeit heute wider die Warnung deines Gewissens
und deiner Überzeugung gehandelt. Eine ganze Gesellschaft hat dich
dafür mit ihrer Achtung belohnt. Wohlan, wirs dich diesen Abend
denkend auf dein Lager und stelle dir deinen Tod vor, der in der Nacht
erfolgen kann. Denke an die Vorwürfe, welche dir dein eigenes
Herz macht; denke an die Stimme des Beifalls, mit dem dich die
Gesellschaft beehrt? Hört die Anklage deines Innersten durch den
Gedanken auf: „Ich bin bewundert und mit Lächeln und Danksagung
für meine Gefälligkeit begleitet worden"? Gesetzt, ein höherer Geist
wäre um dein Lager sichtbar, und du fragtest ihn, was er von deinem
Zustande dächte, so höre, was er dir wahrscheinlich antworten würde:
„Armer, ehrgeiziger und betrogener Adrast! Du schämst dich, Menschen
zu mißfallen, und mißfällst lieber dir selber? Du suchst Ehre bei den
Menschen und verachtest die Ehre bei dem Schöpfer der Menschen?
Du machst dich gegen das Unerlaubte unempfindlich; das ist deine
Schande. Du gehorchst dem Beifalle der Elenden und Toren; aber
der Anordnung göttlicher Weisheit widerstehst du. Ist das deine
Ehre? — Du hast ein sehr kriechendes Herz, ehrbegieriger Jüngling,
und wenn du es nicht achtest, weiser zu werden, so wirst du bald ein
sehr böses Herz haben. Suche den Beifall der Vernünftigen, aber nie
wider die Stimme deiner Pflicht; denn der wahre Ansland im Um¬
gänge kann nie mit den Gesetzen der Vernunft und der Religion
streiten. Der Große, nach dessen Beifall du jetzt strebst, wird in kur¬
zer Zeit eben der Staub sein, der du werden wirst. Ehre seinen
Stand, in den ihn die Vorsehung gesetzt hat, aber verehre nicht seine
Torheiten und Laster und wisse, daß der erhabenste Beifall der Welt,
durch eine wissentliche Vergehung erkauft, im Himmel ein Brandmal
der tiefsten Niederträchtigkeit ist!"
122. Der Arbeitsame.
(Christian Ferdinand Falkmann.)
Unser nächster Nachbar hier im Dorfe ist der Tischler imb Rade¬
macher Walther, ein Mann in seinen besten Jahren, verheiratet und
Vater von drei Lindern. Er gehört zu den arbeitsanlsten Menschen,
die ich jemals zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Schon am
frühen Morgen höre ich ihn hobeln, sägen und hämmern, und er ruft