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wir, wenn ich ihn aus dem Fenster grüße und seine Regsamkeit be¬
wundere, mit fröhlicher Miene zu: „Morgenstunde hat Gold im
Munde!" Den Tag über kürzt er sich die Feierstunden soviel als
möglich ab, und abends ist er gewiß einer von denen, die ihr Arbeits¬
gerät am spätesten aus der Hand legen; ja, ich habe den Unermüd¬
lichen bei dringenden Veranlassungen oft noch bis spät in die Nackt
in seiner Werkstatt erblickt. An Sonn- und Festtagen, wo man ihn
übrigens nicht wie manchen andern arbeiten sieht, liest er gern in
einem guten Buche; aber in der Schenke oder bei Festgelagen sieht
man ihn selten. „Kein besseres Vergnügen," spricht er, „als die Ar¬
beit! Wer mich krank machen will, muß mich zum Nichtstun zwingen."
Und in der Tat hat ihn dieser Umstand fast tiefsinnig gemacht, als er
wegen eines Beinschadens einige Monate lang nicht arbeiten konnte.
Daß sich aber unser Walther nicht aus niederer Gewinnsucht so quält,
wie es die Müßiggänger im Dorfe nennen, dafür liegt der Beweis
darin, daß er seine öffentlichen Ämter, — er ist Kirchen- und Gemeinde¬
vorsteher, — welche ihm wenig oder gar nichts einbringen, mit glei¬
cher Pünktlichkeit und Ausdauer besorgt. „Wer ein Amt hat," spricht
er, „der warte desselben!" und legt sogleich das Beil oder den Meißel
aus der Hand, wenn der Pfarrer einen Armen zu ihm sendet oder der
Amtmann seine Mitwirkung begehrt. Dabei ist es denn freilich nicht
Zu verwundern, daß dieser Mann auch von seinen Hausgenossen
Tätigkeit verlangt. Sie haben es sehr gut bei ihm, jeder empfängt
stets ein freundliches Gesicht; nur darf keiner die Hände in den Schoß
legen. Die Kinder müssen, sobald sie es vermögen, der Mutter oder
dem Vater zur Hand gehen; der Lehrbursche darf nicht sitzen und
träumen, wie Walther es nennt, und Gesellen, die den blauenMontag
Zu sehr lieben, kommen bei ihm nicht gut fort. Meister Walthers
Freunde sind sämtlich fleißige und betriebsame Menschen. „Ein
Faulenzer," äußert er wohl, „könnte mich leicht anstecken." Daß ein
solcher Mann neben dem Arbeiten auch das Beten nicht vergißt, wie
es das Sprichwort empfiehlt, läßt sich leicht vermuten. Er hat nie
Langeweile; er ist immer heiler; er hilft seinen Brüdern, wo er kann,
und blickt daher mit Zutrauen zu dem Herrn auf, dessen Ruf er so
treu erfüllt. Er redet oft mit frischer Rührung von dem Glücke, daß
ihm Gott Lust und Kraft zur Arbeit gegeben habe, und daß er nichts
sehnlicher von demselben erflehe, als daß diese Gabe vor seinem Ende
nicht von ihm genommen werde.