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gäbe geheimnisvoller Adepten; der Stein der weisen sollte nicht bloß die
Kraft haben, Kupfer in Gold zu verwandeln, sondern auch Tote zu er¬
wecken, Kranke gesund und Greise jung zu machen.
Die Natur bleibt ewig jung; die Lrde schmückt sich in jedem Früh¬
ling mit Laub und Blüten, ganz ebenso frisch und jugendkräftig wie
damals, wo sie zum ersten Male „hervorsprießen ließ Gras und Samen
tragendes Kraut und Fruchtbäume, ein jegliches nach seiner Art". Die
Gräser und Blumen freilich, die Heuer gemäht oder verdorrt sind, die
Blätter und Blüten, die heute der Sturm vom Baume herabgeweht hat,
tragen nicht mehr dazu bei, dem Frühling sein Kleid zu weben; aber die
Natur entlockt den alten wurzeln neue Sprossen, den alten Stämmen
neue Blätter und Blüten, und so verjüngt sich die Natur mit jedem neuen
Jahre. Und wenn das Menschengeschlecht, wenn auch die übrigen Urten
der Tiere und Pflanzen, trotz der ungezählten Jahrtausende, wo sie die
Erde bewohnen, noch keine Spur des Alterns zeigen, so ist freilich das
einzelne Geschöpf vergänglich, es altert und stirbt; aber in die Lücke
schieben sich ununterbrochen neue Geschlechter, so daß die Gesamtheit in
jugendfrischer Lebenskraft beharrt. So beruht also die Verjüngung der
organischen Natur darauf, daß zwar jedes einzelne Glied nur einen eng
begrenzten Entwicklungskreis durchläuft, endlich abgenutzt und aus¬
geschieden wird, daß es aber durch frische Glieder ersetzt wird, welche
den eben vollendeten Kreislauf von neuem durchlaufen.
wenden wir diese Anschauung, die wir von der Verjüngung der
lebenden Natur im großen und ganzen gewonnen, auf die Betrachtung
eines einzelnen lebenden Wesens an, möge es nun Mensch, Tier oder
Pflanze sein, so erkennen wir, daß alles Leben auf einer stetigen Ver¬
jüngung beruht. Das Leben ist ein ununterbrochener Kampf mit dem
Tode, der dasselbe in jedem Augenblicke angreift, aber durch die Ver¬
jüngung zurückgeschlagen wird. Nur Täuschung ist es, wenn wir ein
lebendes Wesen uns als etwas Beharrendes, seine Erscheinung als etwas
Bleibendes vorstellen; das Leben gleicht in Wahrheit einem Wasserfall,
der nur scheinbar ein stetiges Bild bewahrt; in Wirklichkeit behält keines
der Wasserteilchen seinen Drt; das eine wird immer durch das andere
verdrängt und ersetzt; nur in der ewigen Bewegung erzeugt sich das
Zcheinbild der Buhe. Das Leben gleicht einer Flamme, die sich rastlos
selbst verzehrt und nur dann ein gleichmäßiges Licht ausstrahlen kann,
wenn immer neue Teilchen an Stelle der verbrannten treten, um ihrer¬
seits später der Vernichtung anheimzufallen.
Auch im lebenden Körper ist die Mischung und Lagerung der Stoffe,
von denen seine äußere Gestaltung und seine innere Einrichtung abhängt,
keinen Augenblick die nämliche; es findet ein ununterbrochener Stoff-