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Wechsel statt. Die Teilchen, welche sich in diesem Moment an einem
Punkt zusammenfinden, sind im folgenden auseinander gesprengt und durch
andere ersetzt. Nur eine Zeitlang fügen sich die Ktome, welche den Körper
aufbauen, dem Dienste des Lebens; früher oder später verlassen sie den¬
selben, um dem freien Spiele der Anziehungskräfte zu folgen, welche die
Elemente zu den beharrlicheren Verbindungen der unlebendigen Natur zu¬
sammenfügen. Darum muß der lebende Körper stets neue Elemente als
Nahrung von außen aufnehmen, durch die er feine Verluste ausgleicht,
und so innig schieben diese sich an die Stelle der ausgeschiedenen, daß
selbst das mit den schärfsten hitfsapparaten moderner Wissenschaft aus¬
gerüstete Buge des Naturforschers erst nach längerer Zeit bemerkt, daß
überhaupt eine Veränderung stattgefunden hat.
In Wirklichkeit aber ist jeder lebende Körper in ununterbrochener
Veränderung begriffen, die in einer durch die Vererbung bestimmten
Neihenfolge fortschreitet; das Leben gleicht einem Strome, der aus ver¬
borgener Quelle hervorspringt, langsam heranwächst, eine Zeitlang in
gleicher Stärke dahinflutet, um endlich mit abnehmender Geschwindigkeit
im Meere der Unendlichkeit aufzugehen.
2.
Um reinsten und klarsten spricht es sich in der Welt der Pflanzen
aus, daß das Leben nichts ist als eine stetige Entwicklung und eine un¬
unterbrochene Verjüngung, freilich ist es nicht leicht, das Leben der
Pflanzen richtig aufzufassen; halten doch viele es bloß für eine bildliche
und uneigentlich angewendete Redensart, wenn man überhaupt vom
Leben der Pflanzen spricht. Die pflanzen laufen ja nicht fort, wenn
man sich ihnen nähert, sie schreien nicht, wenn man sie anrührt; wie
können sie da leben? Sie empfinden nicht, sie haben kein Bewußtsein
wie die Tiere; kann man das Leben nennen?
Uber das Bewußtsein ist nur die höchste Äußerung des Lebens, die
an die Tätigkeit eines bestimmten Organs, des Gehirns, gebunden ist;
bei dem Kinde entwickelt es sich zur Klarheit erst einige Zeit nach der
Geburt, und selbst bei den Erwachsenen schlummert es in gewissen Zu¬
ständen des Schlafes und der Krankheit; viele unter den wichtigsten Tätig¬
keiten des lebenden Organismus treten nie ins Bewußtsein. Nur da¬
durch unterscheiden sich die Pflanzen, nicht von den Tieren überhaupt,
aber doch von den höheren Tieren, die dem Menschen am nächsten stehen,
und nach denen wir unsere Vorstellungen über das Tierleben im all¬
gemeinen zu bilden pflegen, daß bei ihnen die Einheitlichkeit, oder wie
wir es mit einem schwerfälligen und doch schwer zu ersetzenden Nusdruck
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