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4. Kriegswesen und Gefolgschaft bei den Germanen.
Disziplinargewalt über sie besessen haben. Dritten gegenüber haftete
iso fot: Herr für die Handlungen seiner Gefolgsleute wohl nur insofern,
als er gegebenenfalls verpflichtet war sie vor das Volksgericht zu stellen.
Der Herr fördert und belohnt die Taten der Gefolgsleute, indem er
ihnen Waffen und Rosse, Gewänder, Ringe und Schätze spendet. Ring¬
spender, Kleinodspender wird er deshalb in der Sprache der Dichtung
155 genannt. Innerhalb des Kreises der Gefolgsgenossen bestehen Grade
und Rangverschiedenheiten, 'welche das Ermessen des Herrn bestimmt.
Rach angelsächsischem und schwedischem Rechte ist bei Tötung eines Ge¬
folgsmanns außer dem Wergeld, das an die Verwandten fällt, noch
eine besondere Buße als Mannbuße, bezw. Unehrenbuße an den Herrn
iso zu entrichten. Bei den Franken hat nachmals der Herr wegen Tötung
seines homo ein Recht der Klage und der Fehde und sind die Ge¬
folgsgenossen des Königs durch ein höheres Wergeld ausgezeichnet.
Die Fürsten wetteifern ein möglichst zahlreiches und glänzendes
Gefolge zu haben. Ein solches durch längere Zeit zu erhalten bedarf
165 er kriegerischer Unternehmungen. Wenn daher der Friede im Staate
zu lange währt, läßt der Herr die Gefolgsleute an Kriegen auswärtiger
Völkerschaften teilnehmen. Darum gibt ein stattliches Gefolge dem
Fürsten Ansehen und Einfluß auch bei benachbarten Völkerschaften,
die, von Feinden bedroht, sich durch Voten und Geschenke um die
i7o Hilfe mächtiger Gefolgsherren bewerben.
Der Eintritt in ein Dienstgefolge schadet der vollen Freiheit
nicht, führt keine Schmälerung der rechtlichen und gesellschaftlichen
Stellung herbei. Das Verhältnis ist kein lebenslängliches. Wie für
den erwachsenen Sohn regelmäßig die Zeit kommt, da er aus dem
i76 väterlichen Hause ausscheidet und sich einen eigenen Herd gründet,
so pflegt auch der Gefolgsmann, wenn er im Hause des Herrn und im
Kreise der Volksgenossen seine Lehr- und Wanderjahre durchgemacht
hat, auf die heimatliche Scholle zurückzukehren, zu heiraten und den
väterlichen Hof zu übernehmen. War er fürstlichen Geblütes, so folgte
iso er dem etwaigen Rufe des Volkes, an Stelle des verstorbenen Vaters
oder Ohms die Würde des Gaufürsten anzutreten. In den Quellen
der folgenden Periode findet sich, daß Gefolgsleute ohne Auflösung
des Dienstverhältnisses vom Gefolgsherrn abgeschichtet werden, indem
sie anstatt des Unterhaltes im Hause des Herrn von ihm Ländereien
iss empfangen, die sie selbständig bewirtschaften. Seitdem sind zwei
Arten von Gefolgsleuten zu unterscheiden: solche, die im Hause des
Herrn leben, und solche, die eigene Wirtschaft führen.
Die Zahl der Gefolgsleute kann, solange sie im Hause des Herrn
lebten, nicht sehr erheblich gewesen sein. Rach der Schlacht bei Straß-
is» bürg ergaben sich die comites des Alamannenkönigs Chnodomar um
das Schicksal ihres gefangenen Herrn zu teilen. Es waren ihrer 200.
Im 11. Jahrhundert hat ein norwegischer König 120 Gefolgsleute und