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Als die Bedrängnis des Staatshaushalts den Verkauf der
Domänen gebot, wollte der König die Verantwortung für einen so
gewagten Schritt nicht allein auf sich nehmen; er ließ daher das neue
Hausgesetz über die Veräußerung der Domänen den Ständen aller
Provinzen — in Schlesien, das keine Stände hatte, den Vertretern s
der Pfandbriefsinstitute und einiger Städte — zur Milunterzeichnung
vorlegen, obgleich er ausdrücklich erklärte, daß er dazu nicht verpflichtet
sei. Ein solcher Zustand der Unsicherheit des öffentlichen Rechts durfte
nicht Dauer haben. Stein trug sich mit dem Plan einer großen Steuer¬
reform, er wollte brechen mit der ängstlichen hausväterlichen Spar- ,o
samkeit, welche die Ausgaben nach den Einnahmen beengt, und auch
in Preußen den kühnen Grundsatz einführen, der für jede Finanz¬
wirtschaft großen Stils gilt, daß die Einnahmen sich nach den Aus¬
gaben richten sollen. Für diese Reform und für alle die anderen
Opfer, die er sonst noch der wiedererstehenden Nation zudachte, schien,5
ihm der Beistand einer reichsständischen Versammlung unentbehrlich;
nur müsse sie vorläufig wegen der Unreife des Volkes auf das Recht
der Beratung beschränkt bleiben.
So waren im wesentlichen Steins Entwürfe für eine Reform an
Haupt und Gliedern, das Größte und Kühnste, was der politische 20
Idealismus der Deutschen je gedacht hatte. — Hand in Hand mit
der Verwaltungsreform ging die Neugestaltung des Heeres, ebenfalls
unter Steins persönlicher Teilnahme. Der König selbst gab den ersten
Anstoß. Auf diesem seinem eigensten Gebiete behielt er immer die
unmittelbare Leitung in der Hand, zeigte stets treffendes Urteil und 20
eindringende Sachkenntnis. Schon im Juli 1807 berief er Scharnhorst
zum Vorsitzenden einer Kommission für die Reorganisation der Armee
und legte ihr eine eigenhändige Denkschrift vor, worin er alle die
wunden Stellen des Heerwesens mit sicherem Griffe heraushob, die
Mittel zur Heilung richtig angab. Zu Scharnhorst aber gesellte sich so
eine Schar jüngerer Talente — Gneisenau, Grolmann, Doyen, Clause¬
witz —, die wie er der gesamten geistigen Arbeit der Zeit mit lebendigem
Verständnis folgten, staatsmännische Köpfe, die das Heer als eine
Schule des Volkes, die Kriegskunde als einen Zweig der Politik
betrachteten. Ihr stilles Wirken hat nicht nur die Waffen geschliffen 30
für den Kampf der Befreiung, sondern auch die preußische Armee
wieder in Einklang gebracht mit der neuen Kultur und dem deutschen
Heerwesen für alle Zukunft den Eharakter ernster Bildung, geistiger
Frische und Rührigkeit gegeben.