Full text: Prosalesebuch für Obertertia und Untersekunda der Vollanstalten oder Klasse II und I der Realschulen (Teil 5, [Schülerband])

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unermüdlichen Volkes, dessen gesunde Schöpferkraft nicht durch feudale 
und nicht durch hierarchische Einflüsse verkümmert ward, der Eindruck 
eines Staates, der auf engem Raume durch die Kraft der Arbeit und 
des Geistes zu europäischer Bedeutung herangewachsen war, das Vor¬ 
bild eines Fürsten wie Friedrich Heinrich von Oranien — das war s 
die Schule gewesen, in welcher die gesunde Natur des großen branden- 
burgischen Fürsten sich zu seinem Regentenberufe gebildet hatte. 
Sein fürstlicher Absolutismus war gleich streng, seine Mittel nicht 
minder gewaltsam als in allen den Staaten Europas, wo diese neue 
Form des Regiments damals sich festsetzte; er schnitt in die alten 10 
Rechte der Provinzen, der ständischen Korporationen, in die Privilegien 
des Adels nicht weniger scharf ein als die gleichzeitigen Könige im 
Norden oder Richelieu in Frankreich; aber die unbedingte Gewalt, 
die er sich schuf, ward trotz aller einzelnen Härten eine Wohltat für 
die Gesamtheit; sie wälzte die Last der Adelsaristokratie ab, beseitigte 15 - 
die störenden Sonderinteressen, sie hob die Arbeitskraft und das Selbst¬ 
gefühl von Bürger und Bauer, auf deren Wohlfahrt der neue Staat 
fortan ruhte. So legte er die Grundlagen zu einer staatlichen Größe, 
die das erste Erempel dieser Art war: gründete das Heer, ordnete 
den Staatshaushalt, hob den Anbau des Landes, förderte Gewerbe 20 
und Handel, eröffnete dem bedrohten Protestantismus ein sicheres 
Asyl, pflegte Wissenschaft und Kunst in einer eigentümlich deutschen 
Richtung, während fast überall sonst das Volkstümliche vor dem 
Fremden weichen mußte. 
Indessen das Reich seinem völligen Verfalle entgegenging und 25 
gerade dies Aufstreben Brandenburg-Preußens mehr als alles andre 
dazu beitrug, die Krisis zu beschleunigen und die alte, freilich nur 
noch scheinbare Einheit des Reiches vollends aufzulösen, gedieh in 
dem jungen Staate alles, was von gesundem deutschem Stoffe vor¬ 
handen war, zur trefflichen Entfaltung. Hier ward ein tief zer- 30 
rüttetes Land durch ein weises und kraftvolles Regiment dem Elende, 
entrissen, die schlummernden Kräfte der Bevölkerung geweckt, hier 
ward deutscher bürgerlicher Fleiß und Wohlstand gepflegt, hier der 
deutschen Kultur ein weites, zum Teil noch unbebautes Terrain er¬ 
obert. In einem Augenblick, wo Österreich und das Deutsche Reich 35 
dem Übergreifen des französischen Einflusses ruhig zusahen, griff 
Friedrich Wilhelm zu den Waffen, und so klein seine Macht noch war, 
Deutschland hatte doch wieder einen Fürsten aufzuweisen, der sich 
gegen die Garanten des Westfälischen Friedens in Respekt zu setzen 
verstand. In Zeiten, wo die alte Handels- und Seemacht Deutsch- 40
	        
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