172 Fünfte Periode. Von 1750 1830.
darauf gebracht hätte Nur aus diesen Grundsätzen läßt sich die große
Manier des Griechen bestimmen und erklären, sowie der entgegengesetzten
Manier so vieler neuern Dichter ihr Recht ertheilen, die in einem Stücke
mit dem Maler wetteifern wollen, in welchem sie nothwendig von ihm
überwunden werden müssen.
Ich finde, Homer malt nichts als fortschreitende Handlungen, und
alle Körper, alle einzelne Dinge malt er nur durch ihren Antheil an diesen
Handlungen, gemeiniglich nur mit einem Zuge. Was Wunder also, daß
der Maler da, wo Homer malt, wenig oder nichts für sich zu thun sieht,
und daß seine Ernte nur da ist, wo die Geschichte eine Menge schöner
Körper in schönen Stellungen, in einem der Kunst vortheilhaften Raume
zusammenbringt, der Dichter selbst mag diese Körper, diese Stellungen,
diesen Raum so wenig malen als er will — —
Für ein Ding, sage ich, hat Homer gemeiniglich nur einen Zug.
Ein Schiff ist ihm bald das schwarze Schiff, bald das hohle Schiff, bald
das schnelle Schiff, höchstens das wohlberuderte schwarze Schiff. Weiter
läßt er sich in die Malerei des Schiffes nicht ein. Aber wohl das Schiffen,
das Abfahren, das Anlanden des Schiffes macht er zu einem ausführ—
lichen Gemälde, zu einem Gemälde, aus welchem der Maler fünf, sechs
besondere Gemälde machen müßte, wenn er es ganz auf seine Leinwand
bringen wollte.
Zwingen den Homer ja besondere Umstände, unsern Blick auf einen
einzelnen körperlichen Gegenstand länger zu heften, so wird demungeachtet
kein Gemälde daraus dem der Maler mit dem Pinsel folgen könnte,
sondern er weiß durch unzählige Kunstgriffe diesen einzelnen Gegenstand
in eine Folge von Augenblicken zu setzen, in deren jedem er anders er—
scheint, und in deren letztem ihn der Maler erwarten muß, um uns ent—
standen zu zeigen, was wir bei dem Dichter entstehen sehen. Z3. E. will
Homer uns den Wagen der Juno sehen lassen, so muß ihn Hebe vor
unsern Augen Stück vor Stück zusammensetzen. Wir sehen die Räder,
die Achsen, den Sitz, die Deichsel und Riemen und Stränge, nicht sowohl
wie es beisammen ist, als wie es unter den Händen der Hebe zusammen
kommt. Auf die Räder allein verwendet der Dichter mehr als einen Zug
und weist uns die ehernen acht Speichen, die goldenen Felgen, die Schienen
von Erz, die silberne Nabe, alles insbesondere Man sollte sagen: da der
Räder mehr als eines war, so mußte in der Beschreibung eben so viel
Zeit mehr auf sie gehen, als ihre besondere Anlegung deren in der Natur
selbst mehr erforderte.
Hebe fügt um den Wagen alsbald die geründeten Räder,
Eherne mit acht Speichen, umher an die eiserne Achse.
Gold ist ihnen der Kranz, unalterndes; aber umher sind
Eherne Schienen gelegt, anpassende, Wunder dem Anblick.
Silbern glänzen die Naben in schön umlaufender Ründung