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Das Haupthinderniß war indeß ihre lächerliche Blö¬
digkeit. Dieß brachte Herrn Richard auf den Entschluß,
die ersten Kinderversuche im Schönlesen unter vier Au¬
gen zu machen. Er ließ daher eilt Mädchen, das ihm
das feinste Gefühl, die reinste Stimme, die geübtesten
Sprachwerkzeuge und die meiste Dreistigkeit zu haben
schien, allein zu sich kommen, und zu seiner nicht ge¬
ringen Freude fand er, daß das Kind, vor dem Spotte
seiner Mitschüler gesichert, ungemein glücklich in dev
Nachahmung seines Tones war. Er rief nun auch ein
Paar Knaben zu dön Lesestunden, und bey diesen ging
es noch schneller nach Wunsch, weil es leichter für Kin¬
der ist, andre hohe Kinderstimmen nachzuahmen, al§
den tiefen Ton eines Mannes.
Von nun an fand die Einführung einer bessern
Svrach-Melodie keine Schwierigkeit mehr. Indeß ver¬
mißte doch Richard ein Buch, das so stufenweise, wie
er es wünschteden Leseton seiner Schuljugend und
zugleich auch ihr sittliches Gefühl belebte und verfeinerte.
Dieß brachte ihn auf den Entschluß, selbst moralische
Aufsätze zu machen, tn denen jede Art von Ton zuerst
einzeln und besonders, dann aber abwechselnd und ver-
mischt vorkam. Diese Vorübungen ließ er drucken und
von den Kindern, sobald sie mit dem Körperlichen der
Lefekunst im Reinen »varen, solange wiederholen, bis
sie es mit dem Schönlesen zu einem gewissen Grade
der Vollkommenheit gebracht hatten, und seine Schule
zeichnete von nun an, vor allen im Umkreise, durch
wohlklingenden, lebendigen Vortrag sich aus.
Auch euch-, liebe Kinder, ist wahrscheinlich das
Büchlein willkommen. Hier ist es! Es gilt den
Versuch!
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