243
Simrock: Walther und Hildegunde. Vollmer: Sigurds Jugend.
berufend, in welchem er den König und sich selbst durch einen Bären verwundet
gesehen; aber Günther zieh ihn der Feigheit und ließ den Angriff beginnen.
Zuerst bestand Walther im Einzelkamps vier ausländische Recken, darunter den
Sachsen Eckefried; diesen folgten vier Wormser Helden, die gleichfalls im
Zweikampf vor Walther unterlagen, unter ihnen ein Schwestersohn Hägens;
endlich bestand er auch noch siegreich den vereinigten Anlauf der letzten vier
Gegner. Seufzend schwang sich der König jetzt aufs Roß, um nun auch Hagen
zum Kampfe zu bewegen, welcher, in einiger Entfernung auf seinem Schilde
sitzend, ein stummer Zuschauer der tapfern Gegenwehr des bedrängten Walther
gewesen war. Anfangs verweigerte sich der Dienstmann seinem Herrn, der dem
Freunde in der Jugend gelobten Treue gedenkend; doch zuletzt gab er den Vel>
sprechungen und Bitten des Königs nach, dessen Ehre ihm wie die eigene durch
den Heldenmut des Fremdlings bedroht schien. Einen vorteilhafteren Kampf¬
platz zu gewinnen, schlug er vor, zum Schein abzuziehen und Walthern nicht
eher anzugreifen, bis er mit dem Hort und der Jungfrau seine feste Burg ver¬
lassen habe. Diesen Rat lobte der König, umfing und küßte den Helden; dann
wichen beide zurück, erspähten sich den Hinterhalt und ließen die Rosse weiden.
Mittlerweile war die Nacht eingebrochen, welche Walther wachend verbrachte.
Am Morgen weckte er die Braut, deren Schlummer er beschirmt hatte,. hob sie
auf eins der erbeuteten Pferde, bestieg selbst ein anderes und ließ sein gutes
Streitroß, den Löwen, mit den reichbeladenen Schreinen folgen. Kaum mochten
sie tausend Schritte geritten sein, als sie von zwei Männern angerannt wurden.
Es waren Günther und Hagen. Der Kampf war nun unvermeidlich geworden
(vgl. S. 5-8), aber sein Ausgang kein anderer, als welchen Hägens Traum
vorhergekündigt hatte. Er kostete dem Könige den Schenkel, Hagen das Auge
und Walthern selbst die rechte Hand. . _ t
So endete das Gefecht, aus welchem von zwei großmütigen, an Kräften
gleichen Helden keiner unversehrt hervorging, und es folgte die Versöhnung.
Walther rief die zitternde Jungfrau herbei, daß sie ihnen die Wunden verbinde
und den kühlen Labewein biete. Hagen, dem sie ans Walthers Geheiß den ersten
Trunk reichen wollte, wies die Ehre ab, da er Walthers Überlegenheit anerkennen
müsse. Dieser kehrte bald darauf in seine Heimat zu Alpher, seinem Vater,
zurück; es wurde feierliche Vermählung mit Hildegunde gehalten, und nach des
Vaters Tode regierte Walther dreißig Jahre als gerechter König.
229. Sigurds Jugend. (Nach der Wilkinasage.)
Von A. I. Vollmer. Dichtungen des deutschen Mittelalters. Leipzig, 1343.
Sigurd, Sohn des Königs Siegmund, ward als neugebornes Kind nach
seiner Mutter Tode ohne Wissen seines Vaters von dessen bösen Ratgebern in
einem großen Metglase in den Fluß geworfen. Das Gefäß mit dem Kinde
trieb nun auf dein Strome in die See hinab, geriet auf eine Felsbank und
zerbrach. Da es gerade Ebbe war und das Wasser fiel, so lag das Glasgefäß
ganz auf dem Trockenen. Der Knabe, der unterdes ziemlich gewachsen war,
weinte. Da kam eine Hindin, nahm ihn in den Mund und trug ihn zu ihren
zwei Jungen ins Lager, wo sie ihn säugte. Nachdem er zwölf Atonale bei der
Hindin gewesen, war er so groß und stark wie andre Kinder von vier Winteril.
Nun war aber ein berühmter und geschickter Schmied namens Mimer, dem
manche Gesellen dienten. Mimer hatte auch einen Bruder, der Reigin hieß.
Dieser war sehr stark, aber der böseste aller Männer; und zur Strafe für seine
Zaubereien war er in einen Lindwurm verwandelt worden. Der größte und