Full text: [Teil 1 = Septima, [Schülerband]] (Teil 1 = Septima, [Schülerband])

„So kommt doch! So glaubt mir doch!“ bat Summ-Summ angst¬ 
voll. „Seht, im vergangenen Jahre hatte ich so viele Geschwister 
und Freundinnen! Da waren wir auch ein großer Schwarm, wie 
Ihr jetzt! Und ich war die tollste von allen. Aber dann kam der 
Herbst, und alle starben, und dann kam der Winter, und ich blieb 
ganz allein, und ich glaubte, die Welt sei untergegangen. Nun ist 
es aber doch wieder Frühling geworden, und ich sehe die Meinigen 
wieder, und sie sind so übermütig wie je, und ich bin so glücklich, 
Euch zu sehen! Weshalb seid Ihr denn so unfreundlich und haltet 
Euch ferne und wollt mich nicht als Eure Schwester erkennen?“ 
Die jungen Fliegen waren näher gekommen und hatten ihr mit 
wachsendem Staunen zugehört und sie sprechen lassen, bis ihr der 
Atem ausging und sie zu husten anfing. Dann antwortete ihr eine 
Fliege mit Gold- und Rubinaugen, die die schnippischste von allen 
zu sein schien: „Madam, was Sie da reden, ist ja alles Unsinn. Sie 
halten uns für dümmer, als wir sind. Wir lassen uns von Ihnen 
nichts vormachen. Was meinen Sie mit dem vergangenen Jahr? 
Jede Fliege weiß doch, daß die Welt erst mit uns angefangen hat. 
Vor uns hat es nichts gegeben. Und sterben hat auch noch niemand 
eine Fliege gesehen, außer es hat sie eine Schwalbe oder ein Spatz 
gefressen. Herbst und Winter? Davon hat man noch nie etwas 
gehört. So weit Fliegen denken, ist es immer so gewesen wie jetzt. 
Sie sollten sich etwas schämen, uns so dummes Zeug aufbinden 
zu wollen.“ 
Die andern summten beifällig. Alle rührten lustig die perl¬ 
muttern schimmernden Flügel und surrten davon ... 
„Schwestern, liebe Schwestern,“ flehte Summ-Summ mit keuchen¬ 
der Stimme, aber keine Fliege hörte auf sie, und im Nu war sie 
allein auf ihrer Fensterbank, und die andern gaukelten fern im 
goldnen Sonnenschein. 
Summ-Summ saß eine kleine Weile wie betäubt da und konnte 
es nicht fassen, daß die jungen Schwestern so lieblos gegen sie 
waren, die sich doch den ganzen Winter so sehr nach ihnen ge¬ 
sehnt hatte. Endlich entschloß sie sich, in ihre Küche zurückzukehren 
und zu sehen, ob das Heimchen erwacht war, um ihm ihr Aben¬ 
teuer zu erzählen und ihr Leid zu klagen. 
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