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Geographische und naturgeschichtliche Bilder.
Westen ab und verflacht sich sehr sanft gegen Osten; ein so großer
Unterschied findet sich nicht zwischen der Süd- und der Nordseite der
Alpen. Die Pässe führen in der nordischen Bergmasse über breite
Gebirgsebenen, in den Alpen fehlen diese Gebirgsebenen, und tiefe
Einschnitte in den Kamm des Gebirges bilden im allgemeinen die
Pässe, wo zwei Thäler von entgegengesetzten Seiten auf einander
stoßen. Große Längenthäler, welche in Skandinavien fehlen, durch—
ziehen die Alpen, und der Unterschied der Querthäler auf beiden
Seiten ist hier nicht so auffallend wie in den skandinavischen Ge—
birgen, wo sie auf der Ostseite so lang ausgehen und auf der West—
seite verhältnismäßig so kurz sind. Am Fuße der Alpen liegen
beträchtliche See en auf beiden Seiten, in Skandinavien finden sich
dergleichen nur am östlichen Abhange; hier sind große Gebirgsseeen,
in den Alpen nur kleinere. Die Schneelinie liegt auf dem nörd—
lichen Abhange der Alpen 2000 m höher als in dem nördlichen Teile
Skandinaviens, und auf ihrer Südseite 1100 m höher als im südlichen
Skandinavien. Nichts destoweniger haben die Alpen, wegen ihrer ge—
waltigen Höhe, mächtigere Schnee- und Eismassen; in den Alpen steht
das Nadelholz, in Skandinavien die Birke an der Grenze des Baum—
wuchses. Die beiden unteren Gürtel der Alpen, nämlich die Region
der Buche und der Eiche und jene des Kastanienbaumes, fehlen auf
dem Gebirge des Nordens. Der Kornbau geht in den Alpen im
Vergleich mit den Bäumen und dem Klima nicht so hoch hinauf, als
er in Skandinavien gegen Norden reicht, denn in den Alpen hört er
ungefähr auf gleicher Höhe mit der Buche auf, und die Region des
Nadelholzes hat in der Regel nur Viehzucht, während in Skandi—
navien die Buche nicht nördlicher als 592, der Kornbau dagegen bis
zum 708, also eben so weit wie das Nadelholz geht. Das Getreide
kommt hier bei einer mittleren Temperatur auf dem Gefrierpunkte
noch fort; in den Alpen nicht weiter als bei einer mittleren Tempe—
ratur von 49 Wärme. Die natürliche Ursache dieser Erscheinung
liegt in der größeren Sommerwärme der nördlicheren Gegenden. Die
Alpen bringen Wein und Mais hervor, welche in Skandinavien fehlen;
der Graswuchs ist in den Alpen reicher und die Viehzucht daher er—
giebiger.
12. Die lange Nacht und die Witternachtssonne in Hammerfest.
Theodor Mügge.
Skizzen aus dem Norden.
In Hammerfest ist die lange Nacht die Zeit der Ruhe für
alles Handelsleben, und man möchte sagen: der Polarkreis setzt dem
ruhelosen Menschengeschlecht einen Markstein seiner Thätigkeit. Das
Wasser ist öde, die Fische haben Frieden, der schmutzige Seelappe
und der nordische Fischer liegen in Erdhütten am qualmigen Feuer
und warten dort im trägen Winterschlaf, bis der neue Tag erscheint.
Die Kaufleute in Hammerfest bringen ihre Bücher in Ordnung, und