Full text: Für die untern und mittlern Klassen (Teil 1, [Schülerband])

Trunk, an seinen Ufern sehen wir frisches Grün und liebliche Blumen, 
und über die nahen Gefilde verbreitet es Kühlung und Fruchtbarkeit. Wir 
suchen das freundliche Bächlein auf und wandeln vergnügt an seinen Ufern. 
Also, meine Kinder, lebt der gute Mensch in beständiger Thätigkeit und 
wird niemals müde, Segen zu verbreiten und wohlzuthun, wo er nur kann. 
Ein gutes Gewissen giebt seinem reinen Herzen Frieden und Freude, und 
jedermann weilt gern in seiner Nähe. — Die Sonne bildet sich ab in dem 
klaren Bächlein. Also strahlt in dem reinen Gemüte des Guten das Bild 
Gottes wieder. Dieser glänzende Wiederschein verklärt sein Antlitz und gießt 
darüber eine unbeschreibliche Milde und Anmut aus.“ 
Der Vater schwieg. Die Söhne aber riefen aus: „Wäre ich, o 
Bächlein, dir gleich!“ 
109. Der Mond. 
(Grönings Lesebuch) 
Schweigend ruhte die Erde im sanften Schimmer des Mondes. Der 
Himmel war heiter, und nur hie und da zog ein Wölkchen vorüber. Da 
wandelte ein Vater mit seinem Sohne nach Hause; denn sie hatten mit 
einander einen Vettker besucht und sich ein wenig verspätet. Der Knabe 
sah immer mit besonderem Wohlgefallen hinauf zu dem Monde. „Sieh 
nur, mein Vater!“ so sprach er. „Zu der mächtig strahlenden Sonne 
könnte ich nicht aufblicken, ohne geblendet zu werden. Aber der liebe Mond 
glänzt so freundlich hernieder, und sein Licht — wie ist es so mild, so 
sanft, so bescheiden!“ — „Du weißt wohl, mein Sohn!“ antwortete darauf 
der Vater, „der Mond hat keinen eigenen Glanz, sein Licht ist von der 
Sonne; und es ist gerade, als ob er dies wüßte und darum so still und 
demütig zwischen den Sternen wandelte, und es ist seine Gestalt nur desto 
milder und lieblicher — Also, mein Kind, ist es auch mit dem gottes— 
fürchtigen Menschen. Weil er wohl weiß, daß jede Tugend nicht bloß sein 
Werk, sondern vornehmlich Geschenk Gottes ist, indem wir ohne Licht und 
Kraft von oben nichts Gutes zu wirken vermögen, so geht er einher unter 
seinen Brüdern — still und voll Milde und Demut, und seine Seele ist 
darum nur schöner vor Gott und den Menschen.“ 
Kaum hatte der Vater dieses geredet, so zog eine dunkle Wolke 
daher und verhüllte den Mond wie ein dichter Schleier. Da jammerte 
der Knabe und ward böse auf die feindselige Wolke. „Sei ruhig, mein 
Sohn!“ sagte der Vater, „und harre des Ausganges. Denn siehe, die 
Wolke zieht vorüber, und der liebe Mond wird herrlich hervortreten.“ Und 
also geschah es auch. Bald war die Wolke gewichen, und der Mond ging 
hervor, und sein Licht schien in neuem Glanze zu strahlen. Da freute sich 
das Herz des Knaben sehr, und der Vater sprach zu ihm: „Siehe, mein 
Kind! Wie dem Monde, so geht es gar oft den gottesfürchtigen, tugend— 
haften Menschen. Es giebt nämlich in der Welt auch Nichtswürdige, die 
im Finstern wandeln und es nicht leiden können, daß der Edle neben ihnen 
im Lichte stehe. Daher suchen sie seinen Glanz durch Lästerung und Ver— 
leumdung zu verdunkeln. Aber am Ende triumphiert immer das Licht über 
die Anschläge der Finsternis, und die Unschuld geht aus dem Kampfe hervor
	        
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