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veraltet steht eine herrliche Buche da, entblättert, entästet, mit geborstener
Rinde. Damit sie uns aber durch ihren herrlich dargestellten Schaft nicht
betrübe, sondern erfreue, so sind ihr andere, noch volllebendige Bäume zu—
gesellt, die dem kahlen Stamme durch den Reichtum ihrer Aste und Zweige
zu Hilfe kommen. Diesen üppigen Wuchs begünstigt die nahe Feuchtigkeit,
welche durch Moos und Rohr und Sumpfkräuter genugsam angedeutet wird.
Indem nun ein sanftes Licht von dem Kloster zu den Linden und
weiterhin sich zieht, an dem weißen Stamme der Buche wie im Wiederscheine
glänzt, sodann über den sanften Fluß und die rauschenden Fälle, über
Herden und Fischer zurückgleitet und das ganze Bild belebt, sitzt nahe am
Wasser im Vordergrunde der zeichnende Künstler selbst; und diese so oft
mißbrauchte Staffage erblicken wir mit Rührung hier am Platze so be—
deutend als wirtsam. Er sitzt hier als Betrachter, als Repräsentant von
allen, welche das Bild künftig beschauen werden, welche sich mit ihm in
die Betrachtung der so lieblich durcheinander sich webenden Vergangenheit
und Gegenwart gern vertiefen mögen.
Das dritte Bild dagegen ist allein der Vergangenheit gewidmet, ohne
dem gegenwärtigen Leben irgend ein Recht zu gönnen. Man kennt es
unter dem Namen des Kirchhofes. Es ist auch einer. Die Grabmäler
sogar deuten in ihrem zerstörten Zustande auf ein mehr als Vergangenes;
sie sind Grabmäler von sich selbst.
In dem Hintergrunde sieht man, von einem vorüberziehenden Regen—
schauer umhüllt, magere Ruinen eines ehemals ungeheuern, in den Himmel
strebenden Domes. Eine freistehende spindelförmige Giebelmauer wird nicht
mehr lange halten. Die ganze, sonst gewiß fruchtbare Klosterumgebung ist
verwildert, mit Stauden und Sträuchern, ja mit schon veralteten und ver—
dorrten Bäumen zum teil bedeckt. Auch auf den Kirchhof dringt diese
Wildnis ein, von dessen ehemaliger frommer Befriedigung keine Spur mehr
zu sehen ist. Bedeutende, wundersame Gräber aller Art, durch ihre Formen
teils an Särge erinnernd, teils durch große aufgerichtete Steinplatten be—
zeichnet, geben Beweis von der Wichtigkeit des Kirchsprengels und, was
für edle und wohlhabende Geschlechter an diesem Orte ruhen mögen. Der
Verfall der Gräber selbst ist mit großem Geschmacke und schöner Künstler—
mäßigung ausgeführt; sehr gern verweilt der Blick auf ihnen. Aber zuletzt
wird der Betrachter überrascht, wenn er weit hinten neue, bescheidene Monu—
mente mehr ahnt als erblickt, um welche sich Trauernde beschäftigen —, als
wenn uns das Vergangene nichts außer der Sterblichkeit zurücklassen könnte.
Der bedeutendste Gedanke dieses Bildes jedoch macht zugleich den
größten malerischen Eindruck. Durch das Zusammenstürzen ungeheurer Ge—
bäude mag ein freundlicher, sonst wohlgeleiteter Bach verschüttet, gehemmt
und aus seinem Wege gedrängt worden sein. Dieser sucht sich nun einen
Weg ins Wüste bis durch die Gräber. Ein Lichtblick, den Regenschauer
überwindend, beleuchtet ein paar aufgerichtete, schon beschädigte Grabestafeln,
einen ergrauten Baumstamm und Stock, vor allem aber die heranflutende
Wassermasse, ihre stürzenden Strahlen und den sich entwickelnden Schaum.