Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

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Röhre, die bei ihrem Eindringen vor ihnen seitwärts auswichen, ver¬ 
schließen ihnen jetzt, in umgekehrter Richtung, den Weg. So werden die 
Fliegen in dem Kessel etwa in derselben Weise gefangen gehalten, wie die 
Fische in einer Reuse. Nun laufen die Tierchen ungeduldig in ihrem 
engen, dunklen Gefängnisse umher und streifen dabei auch die große Narbe, 
an der sie nun den Blütenstaub absetzen, welchen sie bereits früher von 
einer andern Osterluzei mit angenommen haben. Bald aber beginnt die 
Röhre sich zu verändern; die in ihr befindlichen Haare fangen an zu 
welken und schrumpfen ein. Die kleinen Gefangenen spazieren ungehindert 
von dannen und begeben sich nun vielleicht zu einer andern Pflanze der¬ 
selben Art, welcher sie den Blütenstaub zutragen, den sie von den Staub¬ 
gefäßen der eben verlassenen Blüte angenommen haben. Hier werden sie 
abermals gefangen, setzen die mitgebrachten Pollenkörnchen ab, bürsten die 
Staubbeutel aus und werden schließlich wieder aus ihrem Gefängnis 
entlassen. So kann sich mit ihnen derselbe Vorgang mehrfach wiederholen. 
Schlimmer als die Osterluzei meinen es verschiedene andere Pflanzen 
mit den Insekten. Die Venus-Fliegenfalle Nordamerikas schlägt,' wenn 
ein Insekt die Blattoberseite berührt, rasch die beiden klappenartigen Hälften 
der Blattseiten nach oben zusammen, wobei die langen Stachelzähne des 
Randes wie die Finger gefalteter Hände ineinander greifen. Sie schließt 
auf diese Weise die Fliegen oder andere Insekten so lange ein, bis der 
durch deren Bewegung hervorgebrachte Reiz aufhört und die Insekten tot 
sind. In ähnlicher Weise hält eine ganz nahe verwandte Pflanze, unser kleiner 
rundblätteriger Sonnentau, die Insekten durch eine klebrige Ausschwitzung 
und ihre Drüsenhaare fest. Manche andere Gewächse, vorzüglich der Tropen¬ 
gegenden, zeigen dieselben Erscheinungen. Werden durch die ausscheidende 
wässerige oder klebrige Flüssigkeit die Weichteile des Insektes aufgelöst und 
diese Stoffe von der Pflanze aufgenommen, so spricht man wohl von 
insektenfressenden Pflanzen. 
Die Emsigkeit der Biene beim Einsammeln von Honig aus den 
Blüten ist zum Sprichwort geworden, und der Schmetterling, welcher von 
Blume zu Blume flattert, ist häufig von Dichtern besungen worden. Daß 
diese Tiere und ihre Verwandten bei diesen Blumenbesuchen aber für die 
Pflanzen auch sehr wichtige Geschäfte besorgen, das pflegt unbeachtet zu 
bleiben. Das Zusammenleben von Blumen und Insekten in ihrer gegen¬ 
seitigen Abhängigkeit ist eine der merkwürdigsten und wichtigsten Erschei¬ 
nungen der organischen Welt. Nach W. I. Behrens. 
57. Der Schmetterling. 
Zum ersten Grün, zum weittönenden Liede der Lerche und zu den 
ersten Blumen, welche ihre Kronen öffnen, gesellt sich in den ersten wärmeren
	        
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