Full text: [Band 6 = Klasse vier, siebtes Schuljahr, [Schülerband]] (Band 6 = Klasse vier, siebtes Schuljahr, [Schülerband])

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wie der Sänger im VNorden hieß, welcher in Liedern die Heldentaten 
der Tapfersten besang. 
Wenn aber die Göttin des Umgangs mit den Sterblichen müde 
war, dann führten die Priester den Wagen zurück in das Innerste 
des Haines. Dort wurde sie nebst Wagen und Teppichen in dem 
geheimnisvollen See gebadet. Die Sklaven, welche man dabei ge— 
brauchte, kehrten nie zurück, sie wurden von dem See verschlungen. 
Daher entstand dann ein geheimes Grauen und eine heilige Scheu 
vor dem Heiligtum, das nur die schauen durften, welche starben. 
Jene Insel „des heiligen Haines“ steht noch im Meere, sie ist 
das lieblichste Eiland der Ostsee. Ihr Name ist Rügen, und noch wird 
germanisch auf ihr gesprochen. Noch zeigen die Eingeborenen dem 
Fremdling den heiligen Hain, wo einst freudige und freie Menschen 
sich zum Frühlingsfeste der Mutter Erde versammelten und der Priester 
mit dem Wagen den fröhlichen Umzug hielt. Noch ruht der kleine 
runde, von Rohr und Binsen umkränzte Hertasee mit seinem tiefen 
Wasser zwischen bemoosten Hügeln, von dunkeln Buchen beschattet, 
und in dieser stillen Natur umwehen uns noch immer heilige Schauer. 
106. Weise Frauen bei den alten Germanen. 
Von Jalob Grimm. 
Nen Helden der altgermanischen Mythologie, die als eine Mischung 
himmlischer und irdischer Natur erscheinen, lassen sich mit Aus— 
nahme der Walküren keine Heldinnen zur Seite setzen. Was das 
Geschlecht der Frauen aber hier einbüßt, wird ihm auf anderem Wege 
erstattet. Für die Besonderheit einzelner Heldenrollen, die in der 
Sage oft unwirksam untergeht, sind ihnen allgemeine Ämter mit viel— 
bedeutigem, dauerndem Einfluß überwiesen. Eine ganze Reihe an— 
mutiger oder furchtbarer Halbgöttinnen vermitteln den Menschen die 
Gottheit; ihr Ansehen war bei den alten Germanen größer, ihr Kultus 
ergreifender als die Verehrung der Heroen. 
Geschäft und Bestimmung der Halbgöttinnen ist nun im all— 
gemeinen so zu bezeichnen, daß sie den oberen Göttern dienen, den 
Menschen verkündigen. Es ist ein bedeutsamer Zug unseres Heiden— 
tums, daß zu diesem Amte Frauen und nicht Männer auserlesen 
werden. Die jüdische und christliche Ansicht bildet hier einen Gegen— 
satz: Propheten weissagen; Engel, erscheinende Heilige verkündigen 
und richten Gottes Befehle aus; die griechischen Götter bedienen sich 
männlicher und weiblicher Boten. Nach deutscher Ansicht scheinen Aus—
	        
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