85. Die Kreuzzüge.
85. Die Kreuzzüge.
Von jeher waren das Land und die Orte, wo Christus geboren
ward, wo er lehrte und starb, seinen Bekennern Gegenstände der Sehn—
sucht und Verehrung. Schon Konstantin ließ in Jerusalem eine pracht—
volle Kirche über dem heiligen Grabe erbauen; zahllose Pilger aus
allen christlichen Ländern wanderten seit der Zeit nach dem heiligen
Lande, um an den ehrwürdigen Stätten ihre Andacht zu verrichten.
Die Araber duldeten diese Wallfahrten; als aber 1072 die seldschukischen
Türken Herren von Palästina wurden, hatten die Pilger Verfolgungen
und Veleidigungen zu erdulden; Plünderung, Gefangenschaft, Sklaverei
oder der Tod, das war das Los der frommen Waller. Die Christen—
heit war entzweit; die morgenländische Kirche hatte sich von der abend⸗
ländischen gänzlich losgesagt und war unfähig, die unter ihren Augen
geschehenen Greuel zu verhindern. Da kehrte Peter von Amiens9),
ein französischer Eremit, aus dem gelobten Lande heim, überbrachte dem
Papste Urban eine Bittschrift des bedrängten Patriarchen zu Jeru⸗
salem und schilderte die Leiden der Christen und den Zustand der Ge—
meinde zu Jerusalem mit flammenden Worten. Während Peter weiter
wanderte, und auf den Rat des Papstes überall das Elend der Christen
im hrlagen Lande schilderte, bereitete dieser eine Kirchenversammlung
vor. Diese fand zu Clermont?) im südlichen Frankreich statt. Die
weite Ebene, in der die Stadt lag, war mit Menschen bedeckt. Zuerst
trat Feter anf und sprach so ergreifend, daß alles Volk laut weinte
und schluchzi., dann forderte der Papst selbst in begeisterter Rede die
Fürsten und Edlen auf, den Feind des Christentums zu demütigen und
die heiligen Stätten seinen Händen zu entreißen. „Gott will es! Gott
will es!“ tönte es von allen Seiten, alle versprachen in den heiligen
Krieg zu ziehen; sie knieten nieder, und der heilige Vater erteilte ihnen
den Segen, dann heftete er einigen Bischöfen, die mitziehen wollten, ein
Kreuz von rotem Zeuge auf die rechte Schulter; Tausende begehrten
und erhielten dasselbe Zeichen und eilten in die Heimat, um sich zu
rüsten. Überall entstand eine große Bewegung; ungestüm drängte alles
zum Aufbruche. Während die Fürsten besonnen rüsteten, zogen Scharen
des unverständigen Volkes leichtsinnig in einen Kampf, von dessen Be—
schaffenheit sie keine Ahnung hatten. Ihr Schicksal war höchst traurig.
Ohne Geld und Lebensmittel, ohne Ordnung und Zucht, litten sie bald
Mangel; sie plünderten und raubten in den Gegenden, durch welche sie
zogen, und die Ungarn, Bulgaren und Griechen wurden so erbittert,
spr. amjäns. ») spr. klermons
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