Full text: Gedichtsammlung für UIII bis UII der Vollanstalten oder Klasse III bis I der 6stufigen Anstalten (Teil 6, [Schülerband])

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Badenstedt. 
3 Sie sollen ihn nicht haben, 
Den freien deutschen Rhein, 
Solang' sich Herzen laben 
An seinem Feuerwein, 
4. Solang' in seinem Strome 
Noch fest die Felsen stehn, 
Solang' sich hohe Dome 
In seinem Spiegel sehn! 
5. Sie sollen ihn nicht haben, 
Den freien deutschen Rhein, 
Solang' dort kühne Knaben 
Um schlanke Dirnen frein, 
6. Solang' die Flosse hebet 
Ein Fisch auf seinem Grund, 
Solang' ein Lied noch lebet 
In seiner Sänger Mund. 
7- Sie sollen ihn nicht haben, 
Den freien deutschen Rhein, 
Bis seine Flut begraben 
Des letzten Manns Gebein! 
1840. Gedichte, S. 216. 
Friedrich vodenstedt. 
21. Ein Blick vom Kreml. 
1. Zum höchsten Turm stieg ich hinauf 
Des Kreml in der Mosquastadt, 
Die manchen Turm mit goldnem 
Knaus, 
Viel Tempel und Paläste hat. 
Ich stieg hinauf, wo, vielbetürmt, 
Sich rings die weiße Mauer zog, 
Dran mancher Held schon angestürmt, 
Schon manches Haupt vom Rumpfe 
flog. 
2. Und als ich auf Palast und Dom 
Hinabsah von dem hohen Turm, 
Krümmt' unten sich der Mosquastrom 
Zu meinen Füßen wie ein Wurm; 
Und wie ein Wurm in meinem Geist 
Nagt das Gedächtnis alter Zeit, 
Und vor mir schwebt und mich um¬ 
kreist 
Manch Nachtbild der Vergangenheit. 
s. Die Glocke schlägt vom hohen 
Turm, 
Daß alles ringsum bebt und dröhnt, 
Als ob von altem Kriegessturm 
Ein Nachhall aus dem Erze tönt' — 
Als ob der Turm mit Glockenmund 
In feierlichem Donnerlaut 
Erzählt', was ihm von alters kund. 
Der Stadt, auf die er niederschaut. 
4. Nicht, was die Zaren einst getan 
In machtvollkommnem Blutgelüst' — 
Nicht, wie sie dem Mongolenchan 
Feig des Gewandes Saum geküßt — 
Vor mir ersteht ein andrer Held 
Aus blutgetränktem Schlachtgesild — 
Der Mächtige, der die ganze Welt 
Erschütterte mit Schwert und Schild. 
6. Wie eine Sonne sah man ihn 
Einst aus dem Meere auferstehn, 
Wie eine Sonne sah man ihn 
Im Meere wieder untergehn. 
Sein Haupt umschlang ein Strahlen¬ 
kranz, 
Doch streng und kalt war sein 
Gesicht — 
Er hatte all der Sonne Glanz: 
Nur ihre Wärme hatt er nicht! 
e. Hier auf demselben Turme stand 
Auch er gedankenvoll allein 
Und sah hinab auf Stadt und Land 
Und alles, was er sah, war sein.
	        
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