Full text: (Prosa) (Teil VII - IX in 1 Bande, [Schülerband])

bringen, der Verschwendung und Nachlässigkeit zur bequemen, aber auf 
die Dauer stets verderblichen Tunlichkeit macht. Denn dieser Reichtum 
wird nur auf kosten anderer erlangt; unsere Sicherheit und Grütze aber 
kann in aller Zukunft nur beruhen auf Mätzigung und Gerechtigkeit, 
auf der billigen Schonung des Vorteils anderer Völker in den Grenzen 
naturgemätzer Ausdehnung. Der kategorische Imperativ wird unser 
Lehr- und Zuchtmeister bleiben müssen, so oft auch zarte und feine 
Geister sich gegen diesen „Korporalstock" aufbäumen mögen. Denn der 
kategorische Imperativ allein ist unbestechlich, weil er selbst auf alle 
Mittel der Bestechung verzichtet. Nicht Ehre, noch Wohlwollen, selbst 
nicht die Güter der beglückenden Imagination sprietzen empor unter seiner 
schweren Hand; allein das Gefühl der Kraft, diese Hand tragen zu können, 
ist der Lohn, den der kategorische Imperativ in seinen Dienern erzeugt. 
Die Trägheit aber, die den gesellschaftlichen Gebilden, auch wenn ihnen 
Zweck und Leben entwichen, bequem und tatlos gegenübersteht, kennt der 
kategorische Imperativ nicht; und ebenso wenig kennt er die Unterwerfung 
unter die formale Logik der Rechtssätze, die nicht imstande sind, sich mit 
dem Puls des Lebens, ihn regelnd, zu durchdringen. Hier mutz die 
regierende Tätigkeit den natürlichen Zwecken immer wieder Luft und 
Freiheit schaffen. 
Den preutzischen Staat hat Friedrich nicht allein geschaffen; die 
Vorarbeit tüchtiger, zum Teil großer Regenten in langer Reihenfolge 
ward sein Erbteil. Aber die Seele, das Vertrauen, den Stolz einer in 
die Weltverhältnisse eingreifenden und dabei nur dem eignen Trieb 
folgenden Macht hat Friedrich dem preutzischen Staat eingeflößt. Und 
wie hat diese Seele das künstliche und zerbrechliche Gebilde, in das 
sie zuerst eingezogen, überdauert, die lebensfähigen Bruchstücke desselben 
mit unzerstörbarer Kraft durchdrungen, und so durch diese Bruchstücke 
das Ganze größer und lebensfähiger wieder hergestellt. Hier ist ein 
Beispiel, wie „keine Macht und keine Zeit zerstückelt geprägte Form, 
die lebend sich entwickelt". Wie trümmerhaft lag der preußische Staat 
durch den napoleonischen Schlag am Boden! Die polnischen Teile, 
die ihm nur künstlich angegliedert worden, waren losgetrennt zum Heil 
des Werks der Wiederherstellung. Aber auch im Westen waren alte 
stammverwandte, durch innige Anhänglichkeit verbundene Teile abge¬ 
rissen. Der Rest der alten Provinzen, die den Staat noch bildeten, 
wurde durch den Feind, der mit brutaler Unbarmherzigkeit auf die Ver¬ 
nichtung des Staats hinarbeitete, ausgesogen und der Verarmung zu¬
	        
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