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Besser daran sind schon diejenigen, welche aus beiden Seiten des
Äquators leben. Für ihr Auge teilt der Ring nicht mehr den Himmel
in zwei Hälften, sondern er wölbt sich als Bogen, der nicht unähnlich
einem Regenbogen den Himmel seitwärts umspannt. Die Bewohner der
mittleren Zonen zu beiden Seiten des Äquators sehen nicht nur die innere
finstere Kante des Ringes, sondern können auch schon seine Seitenfläche
sehen. Ja, diejenigen, die dort in dem Breitengrad wohnen, wo bei
uns Griechenland liegt, sehen die breite Kante am vorteilhaftesten; denn
sie nehmen sie als ein Himmelstor wahr, dessen Gemäuer so dick ist,
wie bei uns 30 nebeneinander stehende Monde erscheinen würden. Wenn
bei ihnen Sommer ist, so befindet sich für sie die Sonne diesseit des
Himmelstores, und das dauert mehr als 14 volle Erdenjahre, während
welcher Zeit das Licht der Sonne die Seitenwand des Ringes stets be¬
leuchtet. Tritt aber bei ihnen der Winter ein, so begibt sich die Sonne
für sie jenseit des Himmelstors. Mit Eintritt des Herbstes wird das
herrliche Himmelstor für sie finster. Sie sehen es am Tage wie einen
pechschwarzen Regenbogen vor sich. Endlich kommt die Sonne so, daß
sie für ihr Auge hinter dem Ringe steht, und dann verursacht ihnen der¬
selbe eine furchtbare Sonnenfinsternis, die fast neun Erdenjahre dauert.
Zu beiden Seiten des Äquators gibt es auch Gegenden, wo der
Ring zwar lang dauernde Finsternisse in ihrer Winterzeit veranlaßt, aber
in der Mitte des Winters tritt die Sonne plötzlich unter das Torge¬
wölbe und verweilt gar kurze Zeit daselbst. Diese Gegend wird dadurch
mitten im Winter vom Licht umflossen, aber bald schwindet dieses wieder,
und der Ring veranlaßt eine neue Sonnenfinsternis, die erst schwindet,
wenn der Frühling naht, um den langen Sommer einzuleiten.
Eine bedeutende Strecke weiter hinaus und in einer Entfernung,
die fast noch einmal so groß ist, wie die Saturns von der Sonne, be¬
wegt sich der Planet Uranus, den man vor 130 Jahren noch nicht
kannte. Er ist von der Sonne 20 mal entfernter als die Erde. Das
Sonnenlicht ist demnach dort an 400 mal schwächer als bei uns. Die
Sonnenkugel erscheint dort nur so groß wie bei uns Venus und ver¬
breitet selbst am hellsten Tag dort nur eine Dämmerung wie die unse¬
rer Mondnächte. Da mit der Entfernung von der Sonne auch die
Wärme des Sonnenlichts in gleicher Weise wie die Leuchtkraft abnimmt,
so bewirkt das Sonnenlicht auf Uranus eine 400 mal schwächere Er¬
wärmung, und dies allein genügt, um jedem irdischen Wesen, das zu
seiner Existenz des Sonnenlichts und der Sonnenwärme bedarf, das Be¬
stehen auf Uranus vollkommen unmöglich zu machen.
Der Durchmesser der Uranuskugel beträgt 7460 Meilen, und da
die Masse dieser ganzen Kugel etwa 14 mal schwerer ist als die Erde,
so läßt sich die Anziehungskraft, die Uranus auf die Gegenstände an
seiner Oberfläche ausübt, ziemlich genau angeben, und man findet, daß