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ii.
Aus Sage und Geschichte
des deutschen Mittelalters.
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107. Ein Wanderzug der Germanen.
Von Gustav Freytag.
(V s war ein heimliches Summen in den Höfen, und frische Gesellen
hielten im Waldversteck stillen Rat; denn nicht die Alten und
Weisen des Gaues hatten den Auszug geboten, nur Unzufriedene
lösten sich von der lieben Heimat, willkürlich und auf eigene Gefahr,
weil ihnen der Sinn nach besseren Landlosen stand. Die Wander¬
lustigen hatten sich in nächtlichem Rat zusammengeschworen und ihre
Führer gewählt. In den letzten Monaten hatten sie für die Fahrt
gerüstet, Beisteuer in ihrer Freundschaft erbeten, Wagen und Acker¬
gerät gezimmert und um Vieh gehandelt, soweit sie vermochten. Sie
wollten einzeln und mit wenig Geräusch aufbrechen, um sich jenseit
der Gaugrenze zu geordnetem Zuge zu sammeln.
Jnl ersten Morgenlicht standen die Wagen mit Saatkorn und
Hausrat bepackt. Über dem festen Bohlengefüge spannte sich die Decke
von Leder, die gejochten Rinder brüllten, Frauen und Kinder trieben
das Herdenvieh hinter dem Wagen zusammen, und große Hunde, die
treuen Begleiter der Fahrt, umbellten das Fuhrwerk. Die Geschlechts¬
genossen und Nachbarn trugen zum Abschied herzu, was als Reisekost
diente oder ein Andenken an die Heimat sein konnte. Durchaus nicht
fröhlich war der Abschied, auch dem mutigen Manne bangte heimlich
vor der Zukunft. War das neue Land auch nicht endlos weit, fast
allen war es unbekannt, und unsicher war, ob die Götter der Heimat
auch dort Schutz gewährten, und ob nicht schädliche Würmer und Elbe
Vieh und Saat zerstören wollten oder feindliche Männer die Höfe ab¬
brennen. Auch die Kinder fühlten das Grauen, sie saßen still auf den
Säcken, und die kleinen weinten, obgleich die Eltern ihnen Haupt und
Hals mit heilkräftigem Kraut umkränzt hatten, das den Göttern lieb
ist. Mit der aufgehenden Sonne erhoben sich die Fahrenden, der