Full text: [Band 6 = Klasse 4, 7. Schuljahr, [Schülerband]] (Band 6 = Klasse 4, 7. Schuljahr, [Schülerband])

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Es scheint wohl, als habe er zuerst verlangt, daß sie sich, noch ehe 
die Tage der Witwentrauer verstrichen waren, mit seinem Sohne 
Adalbert vermählen solle, und als habe sie diese Zumutung zurück¬ 
gewiesen. Wie dem auch sein mag, bald trat Berengar als Adel¬ 
heids bitterster und grausamster Feind auf; Beleidigung über Be¬ 
leidigung mußte die edle Frau von Berengar und seinem ehrlosen 
Weibe zu Pavia ertragen. Man beraubte sie ihres Goldes, ihres 
Schmucks, ihres Gefolges, endlich sogar der Freiheit. Wenige Monate 
nach dem Tode ihres Gemahls, am 20. April des Jahres 951, wurde 
sie zu Como zur Gefangenen gemacht und in einen Kerker geworfen. 
Hier soll sie den abscheulichsten Mißhandlungen ausgesetzt gewesen 
sein; man raufte ihr, wie erzählt wird, das Haar aus, beschimpfte 
mit Schlägen und Fußtritten ihren königlichen Leib. Später über¬ 
lieferte Berengar die Gefangene einem seiner Grafen, der sie in 
der Burg Garda an dem gleichnamigen See bewahren sollte. Hier 
verlebte Adelheid in einem grauenhaften Kerker, von einer einzigen 
Magd begleitet, rings von Wachen umstellt, vier bange Monate ihres 
wechselvollen Lebens; nichts ließ man ihr als die Tröstungen der 
Religion, von einem treuen Priester gespendet. Unsägliches hat 
damals die junge Königin erduldet, wie sie später selbst oft dem 
Abt Odilo von Cluny erzählte. „Aber es war ihr heilsam,“ sagt 
Odilo, „damit nicht der Zauber sinnlicher Lust ganz ihr junges 
Herz umstrickte; wen der Herr liebt, den züchtigt er.“ 
Das Gerücht von diesen Dingen lief durch die Welt und erhitzte 
überall die Gemüter. Man glaubte, Lothar sei vergiftet und Berengar 
habe sich durch Mord den Thron gewonnen. Allgemein war die 
Teilnahme für die junge unglückliche Königin. .Den Kampf gegen 
Berengar und für Adelheid gebot die Not, riet der Vorteil an und 
schien die Ritterehre zu fordern. 
Auch Ottos Seele hatten die Ereignisse jenseits der Alpen ge¬ 
waltig erregt, und nicht deshalb allein, weil er bei seinem nahen 
Verhältnisse zu dem burgundischen Hause vor allem berufen war, 
sich der unglücklichen Königin anzunehmen, sondern in noch höhe¬ 
rem Maße, weil er als Rächer Adelheids die erwünschte Gelegen¬ 
heit fand, sich des italischen Königreichs zu bemächtigen und im 
Besitz desselben das abendländische Kaisertum zu erneuern. Aber 
nur wenn er Adelheids Interessen unaufhaltsam mit den seinigen 
verband, konnte er, der nordische Fremdling, festen Fuß in dem 
italischen Reiche fassen und sich dort gleichsam heimisch machen. 
So ergriff ihn der Gedanke, der jungen Königin, die im Kerker 
schmachtete, weil sie Italiens Hoffnung war, seine Hand und seinen 
Thron anzubieten. Was er von vielen, die auf der Pilgerfahrt nach 
Rom an Lothars Hofe freundliche Aufnahme gefunden hatten, von
	        
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