Full text: Geschichte der Neuzeit vom Westfälischen Frieden bis in die Gegenwart (Teil 3, [Schülerband])

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Die Verbindung mit dem deutschen Geistesleben wurde nun 
auch im Bürgertum sehr lebhaft. Eine Anzahl Buchhandlungen 
entstanden, darunter die von Trattner, welche durch den Nachdruck 
aller bedeutenderen Erscheinungen ihrem Besitzer große Reichtümer — 
leider auf Kosten der Verfasser — einbrachte, anderseits aber um die 
Verbreitung deutscher Bildung in Österreich unleugbare Verdienste hat. 
Eine Reihe von Gelehrten bemühte sich um die „Aufklärung“ der 
Wiener, allen voran der rührige Josef von Sonnenfels. Der Sohn Die Aufklä- 
aines mährischen Kaufmanns, der vom Judentum zum Katholizismus rung.Sonnen- 
äübergetreten war, war Sonnenfels Soldat geworden, hatte sich aber fels. 
selbst so weit gebildet, daß er — aus der Armee geschieden — die 
Rechte studieren konnte und in den Staatsdienst trat. Er wurde endlich 
Professor der Staatswissenschaften; ganz im Sinne der Aufklärung 
bekämpfte er die Folter, ja sogar die Todesstrafe. Daneben gab er 
aufklärerische Zeitschriften (darunter: „Der Mann ohne Vorurteil“) 
heraus, wirkte für die Verbesserung des Theaters und unterhielt einen 
regen Briefwechsel mit deutschen Geistesgrößen. Auch deutsche Dichter 
traten nun in Wien auf, so der gelehrte Denis u. a., freilich nur Dichter; 
Nachahmer reichsdeutscher Vorbilder, aber sie schufen doch ein Denis, 
ganz neues Geistesleben in Wien. Die Milderung, unter Josef IL, sogar 
die zeitweise Aufhebung der Zensur (behördliche Überwachung der 
zu druckenden Schriften) trug viel zu dieser Besserung bei. Allerdings 
hatten weder Maria Theresia noch Josef II. genug Sinn für die 
Wissenschaft, daß sich der öfters gehegte Plan, eine Akademie der 
Wissenschaften zu gründen, verwirklicht hätte, anch an der Universität 
wurden nur die medizinischen und die rechtswissenschaftlichen Studien 
mit großem Ernst betrieben, aber die Bildung der Wiener war trotzdem 
um 1750 bereits eine achtunggebietende. Dem Fremden fiel freilich 
vor allem der heitere, scheinbar leichtfertige Sinn der Bevölkerung 
auf und die Neigung für allerlei Unterhaltungen und Schaustellungen _ Unter- 
wie Tierhetzen, Feuerwerke,. endlich für das Theater war wirklich haltungen, 
allgemein. Gerade hierin sollte Wien bald führend werden; das von 
Josef II. 1776 wegründete „Hof- und Nationaltheater“ (jetzt Hofburg- das Theater, 
theater), welches von vornherein das deutsche Schauspiel pflegte, 
erwuchs bald zur angesehensten deutschen Bühne, während das 
altheimische Volksschauspiel in seiner Lustigkeit fortblühte. — Daß 
aber auf allen Gebieten in Wien tüchtig gearbeitet wurde, daß ganze 
Gewerbe — wie die Seidenweberei und die Porzellanfabrikation — 
zur höchsten Blüte gelangten, das übersahen die Fremden und 
erblickten mit Unrecht in Wien bloß die Stadt des fröhlichen Lebens- 
genusses, der sorglos schmausenden „Phäaken“. 
6. Erzherzog Karl. 
Erzherzog Karl wurde als dritter Sohn des Großherzogs von Jugend. 
Toscana und späteren Kaisers Leopold am 5. September 1771 zu 
Florenz geboren. Er war von Natur aus schwächlich und schüchtern, 
zeigte aber früh ausgesprochene Lust und Talent zum Studium. Kriegs- 
zeschichte und Mathematik waren seine Lieblingsfächer. — 1790, als
	        
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