1. Erzaͤhlungen. 3
Eines Mittags war der General von Köckeritz wieder bei ihnen zu
Tische. Es war in Paretz auf dem Lande. Kaum war die Tafel auf—
gehoben, als der flüchtige Gast auch wieder fort wollte. Da trat die
Königin vor ihn hin; — sie hatte eine Tabakspfeife, schön gestopft, einen
brennenden Wachsstock und einen Fidibus in der Hand und sprach:
„Nein, lieber Köckeritz, heute sollen Sie mir nicht entwischen! Hier ist
Ihre Pfeife, Sie brauchen darum nicht nach Hause zu gehen!“
Der General steckte seine Pfeife an und blieb. Der König aber
blickte auf sein holdes Weib und sprach: „Das hast du schön ge—
macht, liebe Luisel!“ Werner hn
186. Lreue des Gedũchtnisses.
Im Jahre 1810 stand eines Tags der Köônig Priedrieh
WVilhelm III. nach aufgehobener Tafel am Fenster des Potsdamer
Schlosses und neben ihm ein Oberst. Nach der Straße hin—
sehend, bemerkte der König einen armlich gekleideten Mann, der
mit entblößtem Haupte nach dem
Könige blickte und einen Brief
in die Höhe hielt. „Den Menschen,“
sagte der König, „Xenne ieh; er
hat ein eigentümliches Gesicht.
Pr heibt Aarnold Sehulz, ist
Soldat gewesen bei der Magde—
burger Besatzung. Unter meinem
Oberbefehle als Kronprinz hat er
1792 den Krieg gegen Prankreich
mitgemacht und ist vor Main?z
verwundet worden.“
Der Oberst lächelte und be—
merktzé: „Wie könnten Luer
Majestat das noeh wissen! So ariedrich Wilhelm III.
was vergibt sich; von 1792 bis 1810 sind 18 Jahre her; das
behalt man nicht.“
„Wird sich zeigen,“ sagte der König und befahl einem Adju-
tanten, den Mann paraufzuholen. Beim Hereintreten fragte ihn der
König: „Mie heißt du, mein Sohn? Arnold Sechulz —
„Soldat gewesen?“ — „Ja, bei der Besatzung in Magdebursg;
Ibe 1752 den Krieg mitgemacht und wurde vor Mainz ver—
undet. Hier nahmen PVuer Najestät, damals Kronprinz, sich
18