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nicht ^einmal das Zirpen einer Heuschrecke unterbricht fernerhin
^ss.^lunen und Denken. Die Großartigkeit und Erhabenheit der
Wüste wird ihm erst setzt erkennbar; ihr unsäglicher Frieden zieht
ein in sein Herz.
8. Wirkliche Ruhe, ungetrübtes Behageil bringt aber doch
cijt der Aufenthalt am Wüstenbrunnen. Der fortwährend drohende
Mangel an den notwendigsten Lebensbedürfnissen macht jede
Wüstenreise zum ruhelosen Drängen und Vvrwärtseilen; man ent¬
behrt daher vollständig der Gemächlichkeit, mit welcher man gerne
wandern mag. In der Oase, am Brunnen, wird der Tag zum
b'este, der Abend zur harmlos heitern Feier, die Nacht zu wirklich
erlabender Ruhezeit.
^ 9. Mimosen und Palmen sind die Charakterbüume aller
^asen, fehlen also auch denen nicht, welche so viele Quellen oder
Brunnen besitzen, daß man Gürten und Felder anlegen konnte.
vNi der Nähe der Quellen oder am Brunnen breiten sich oft
reizende Gärten aus, in denen man fast alle Fruchtarten Nord¬
afrikas anbaut. Hier klettert die Rebe, glüht die Orange im
dunkeln Laube, breitet die Baiiane ihre Wedelblätter, rankt die
Melone sich aus die Gemüsebeete. Weiter entfernt, dehnen sich
Felder aus, auf denen mindestens Kafferhirse, günstigen Falles
Weizen, ja selbst Reis gebaut wird.
10. Z]t eine Oase erreicht, so schlürfen die Reisenden gierig
in langen Zügen das erquickende Naß; ungestüm drängen sich auch
die Kamels zur Tränkstelle, obwohl sie aus Erfahrung wissen
könnten, daß sie erst entlastet, gefesselt und auf die Weide gesandt
zu werden pflegen, bevor man ihnen gestattet, nach vier- bis
lechstägiger Entbehrung des Wassers wieder einmal ihren Durst zu
löschen. Man spendet auch am Brunnen keinen überflüssigen
Tropfen, gibt ihnen daher zunächst das etwa vorhandene Schlauch-
wasser und tränkt ]ie erst, nachdem man alle Schläuche wieder
gefüllt hat, mit mehr Rücksicht auf den vorhandenen Wasservorrat
als auf ihr Bedürfnis. Bei Menschen und Tieren sind alle Be-
lchwerden der Wüstenreisen vergessen, Sehnsucht und Verlangen
gestillt; denn Wasser, Wasser sprudelt in genügender Fülle und
ersetzt alle Bedürfnisse.
11. Gestärkt und ermuntert setzt die Karawane ihre Reise
fort, und wenn die Tage nichts Schlimmeres bringen als Sonnen¬
brand und Glut, Durst und Ermattung, erreicht sie ungeschwächt
auch den zweiten, dritten Brunnen und endlich das Ziel der Reise,
die erste Ortschaft jenseits der Wüste.
12. Glücklich der Reisende, wenn er von keinem Glutwinde
ereilt wird, der jeder Karawane in hohem Grade gefährlich werden
kann. Untrügliche Zeichen gehn ihm voraus. Die Luft wird