Theodor Storm.
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263. Ein grünes Blatt.
Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf daß es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.
264. Trost.
1. So komme, was da kommen mag! 2. Und geht es in die Welt hinaus,
Solang' du lebest, ist es Tag. Wo du mir bist, bin ich zu Haus.
3. Ich seh' dein liebes Angesicht,
Ich sehe die Schatten der Zukunft nicht.
265. Einer Toten.
I.
1. Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr,
Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen;
Die Mutterfreude war für dich zu schwer,
Das Leben war dir gar zu hart gewesen. —
2. Er saß bei dir in letzter Liebespflicht;
Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!
Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht.
„Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!"
3. Er hörte still die sanften Worte an,
Wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen:
„Sorg' für das Kind — ich sterbe, süßer Mann."
Dann halb verständlich noch: „Nun will ich schlafen."
4. Und dann nichts mehr; — du wurdest nimmer wach,
Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber;
Der Atem Gottes wehte durchs Gemach,
Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber.
II.
l.Das aber kann ich nicht ertragen,
Daß so wie sonst die Sonne lacht;
Daß wie in deinen Lebenslagen
Die Uhren gehn, die Glocken schlagen,
Einförmig wechseln Tag und Nacht;