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Und meilenweit breitete sich der See in seiner selbstherrlichen
nutzlosen Schönheit aus.
Sic standen in seiner harten Fron, und nach und nach empfanden
die einen seine anspruchsvolle Nähe als die eines lästigen Tyrannen.
Zur Zeit der Schneeschmelze stieg der See dem Berg entgegen, und
zur Winterzeit kam der Berg durch den Weg der Lawinen zum
See herab. Für die Menschen aber war kein Raum frei zwischen
den beiden Kolossen.
Von der Erkenntnis dieser Sachlage zu dem heimlich keimenden
Entschluß, dagegen anzukämpfen, war für den Schlag Menschen, dem
die Espaner angehörten, der Übergang leicht und unvermeidlich.
Alles, was an Tyrannei grenzte, war ihnen verhaßt. Sie er¬
trugen mit Gleichmut gefahrvolle Arbeit, Armut und Tod: aber was
einem Joch ähnlich sah, das mußte gesprengt werden, koste es, was
es wolle. Immer waren sie in Reih und Glied dabei gewesen, wo es
galt, mit Bauernkrast in den drückenden Ring der Knechtschaft eine
Gasse zu brechen. So empfanden sie bald ihre Abhängigkeit vom See
als eine Erblast, und der eine oder andere sann auf Erlösung.
Da rang sich auf einmal bei einem der Bauern der Gedanke
durch: wenn man auf dem See heuen könnte!
Das zündete wie ein Blitz in einem ausgedörrten Schober. Ja,
könnte dieses überflüssige Wasser in schönes Mattland verwandelt
werden, wie wäre uns geholfen!
Tie Auswanderung des Jungvolkes aus dem bedrängten Tal
war unvermeidlich. Sie forderte immer neue Opfer; denn wenn die
Burschen daheim darben, verdingen sie sich leichter in die Fremde.
Aber die Espaner hingen an ihrem Boden wie die Kletten an ihren
Zwilchhosen, wenn sie das Grummet auf der Baschifluh heimsten.
Ja, wenn die Fluten dichtgedrängte Ähren wären! Wenn der
Wind, der kräuselnd über die blaue Fläche zog, durch Halme und
Spitzengräser führe!
Welch wogende Pracht! Wo die Fischerboote lässig fuhren, da
sollten neue Heuboden stehen, deren Balken unter der Last der Ernte
ächzten. Wo die Wellen am User wühlend weitergriffen, würden sich
nahrhafte Dolden wiegen. Und wo die glotzäugigen Fische schwänzelten,
sollten junge Rinder bis an den Leib im Grase stapfen.
Hei! War das ein Zukunftsbild für die Augen eines Espaners!
Große Hoffnungen zeitigen große Entschlüsse. Diese wurden am
Sennenfeuer in den Sommeralpen und im Winter ain Wirtstisch
zuerst kleinlaut und verzagt, dann kecker und zuversichtlicher in der
Gemeindestube verhandelt. Die Aussichten wurden erörtert, hier durch
die Unwissenheit und den Dünkel bis ins Unmögliche gesteigert, dort
blindlings verworfen aus abergläubischer Furcht. Vom ersten Tage