Full text: Kulturbilder aus Deutschlands Vergangenheit

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19. Volksbelustigungen im Mittclaltcr. 
zehrt. Derartige Übertreibungen waren im 14., 15. und 16. 
Jahrhundert nicht selten. Ja, die Eß- und Trinklust unserer 
Vorfahren ging sogar so weit, daß selbst Leichenbegängnisse ihnen 
einen willkommenen Anlaß zur Befriedigung ihrer Zechlust boten. 
Welche derben Sitten namentlich im Trinken herrschten, zeigt 
uns die Gewohnheit, daß Frauen und Jungfrauen es darin den 
Scannern gleich zu thun bemüht waren. Es war etwas Ge¬ 
wöhnliches, wenn sie schon morgens zum Frühstück gauze Kauuen 
voll Bier leerten, und vor einem tüchtigen Schluck Weins 
schreckten sie nicht zurück. Ein deutscher Herzog schuf für seinen 
Hof eine eigene Trinkordnung und verordnete, daß seiner Ge¬ 
mahlin zum Früh- und Vespertrunk „soviel Bier und Wein 
verabsolgt werden sollte, als sie verlangte". Das wird nicht 
wenig gewesen sein, da jedes adelige Fräulein „bloß vier Maß 
Bier täglich" erhalten sollte. Wie ist es da zu verwundern, 
wenn Ritter und angesehene Personen sich rühmten, recht viel 
im Trinken leisten zu können, wie denn ein brandenburgischer 
Oberkämmerer während einer Mahlzeit 18 Maß Wein zu sich 
zu nehmen gewohnt war! Als im Jahre 1551 Wirtlich von 
Kniprode Großmeister des Deutschen Ordens wurde, gab es 
Festlichkeiten, die viele Tage dauerten, u. a. ein großes Ehren¬ 
mahl, bei dem jeder, der daran teilnahm, ein silbernes Becken, 
das acht Flaschen Wein faßte, in einem Trunke leeren mußte. 
Ein Ritter vou Bassenheini trank es dreimal aus und wurde 
dafür zum Schloßhauptmauu ernannt. Bei einer ähnlichen Ge¬ 
legenheit wurde das Dorf Hüffelsheim als Preis ausgesetzt für 
deu, der eineu Kurierstiefel mit Wein austrank. Ritter von 
Waldeck leerte ihn zweimal. Die Völlerei war so sehr im 
Schwange, daß am kaiserlichen Hofe oft die wichtigsten Regierungs¬ 
geschäfte nicht erledigt werden konnten und die fremden Gesandten 
warten mußten, weil die Räte schon in den Frühstunden betrunken 
waren! Das Reichskammergericht zu Wetzlar verlangte sogar 
von seinen Beisitzern, daß sie nicht bloß in Gesetzesdingen bewan¬ 
dert seien, sondern auch die Kunst des Trinkens verständen, um 
„hochpreislichem Eollegio vorkommenden Falls Ehre zu machen." 
Dem maßlosen Essen und Trinken des Mittelalters that die
	        
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