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anspruchsloser; sie verstanden noch die große Kunst, das Behagen
aus sich selbst zu schöpfen. Die Ausstattung der neuen Wohnung
auf der Esplanade war noch einfacher, als es der heutige Zustand ver¬
muten läßt. Der schöne Teppich und die Polstermöbel, Schenkungen
späterer Zeit, zierten noch nicht den Salon. Einige gewöhnliche
Stiche, drei farbige Drucke, südliche Landschaften darstellend, hingen
an den Wänden. In dem Arbeitszimmer stand ein altes Spinett, an
dem Lolo oft auf den Wunsch des Gatten niedersaß und einfache
Lieder spielte und sang. Der Schreibtisch, an dem die unsterblichen
Werke entstanden, kann nicht schmuckloser sein; es ist derselbe, den
Schiller in der kargen jenaischen Zeit nicht ohne einige Gewissens¬
bisse hatte anfertigen lassen. Die Fenster waren mit kurzen Vor¬
hängen von roter Farbe versehen, Schiller behauptete, daß der rote
Schein ihn beim Arbeiten anrege. Schränke, Kommoden, Stühle, alles
war so einfach, daß heute eine Kleinbürgerfamilie sich kaum mit
solchem Mobiliar begnügen würde.
Aber in diesen fast dürftigen Bäumen herrschte ein hoher Geist.
In dem Schillerschen Hause ging es zu, wie es in einem deutschen
Gelehrtenhause zugeht. Wenig Muße, viel Arbeit. Aber die Gegen¬
stände und die geistige Bedeutung der Arbeit warfen ihren verklärenden
Schein auch in die Mußestunden und in die Gespräche der Familie.
Alles, was Schillers Wort berührte, auch das Alltägliche, wurde ge¬
hoben und veredelt. Er liebte den heiteren, sonnigen Scherz; aber
man hörte ihn nie oder selten spotten. Sein Gespräch war lebhaft;
er war schön, er bezauberte einfältige Herzen und bedeutende Geister
gleichermaßen. Bescheiden ließ er dem andern das Wort und erfreute
ihn, indem er das seine ungezwungen daran anschloß. Gästen war
er der liebenswürdigste Wirt. In seinem äußeren Benehmen prägte
sich eine wohltuende Mischung ritterlicher Höflichkeit und herz¬
licher, ungezwungener Freundlichkeit aus; jedem Fremden wurde
bald in seiner Gesellschaft gemütlich zu Sinne.
Die Bilder, die wir von ihm besitzen, geben allesamt keinen voll¬
ständigen Eindruck. Selbst das Antlitz ist uns nur mangelhaft über¬
liefert. Fügen wir hier die Schilderung Charlottens hinzu: „Schiller
hatte sehr blonde, hellgelbe Haare, ein blasses, weißes Gesicht und eine
sehr zarte Haut, keine griechische Nase, keine aufgeworfenen Lippen;
der Knochenbau des unteren Gesichtsteiles trat hervor. Es gab nicht
leicht eine schönere Gestalt als die seinige. Edel und ernst war sein
Anstand; man sah, daß er militärisch erzogen worden, an der Haltung
seines Körpers. Eine natürliche Feinheit hatte ihn früh alles Unedle
verachten lehren; so war auch seine Erscheinung in der Weit und in
der Gesellschaft. Nie war er verlegen und ängstlich, die Konvenienz