Full text: [Band 7 = dritte Klasse, achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Band 7 = dritte Klasse, achtes Schuljahr, [Schülerband])

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ich von der Mutter Brust weg hinabgeschaut in die schäumenden Wasser 
und sie beneidet, wie sie fortsprangen hinab ins Städtle Triberg und 
hinaus ins Kinzigtal und in die weite Welt! 
Einmal äußerte ich diesen Neid auch der Mutter gegenüber, kam 
aber schlecht an. „Du dummes Kind," sprach sie, „weißt du nicht, 
daß deine Reise in die Welt nur über meine Leiche geht? Deine 
Mutter muß sterben, wenn du hinaus in die Welt und zu den Menschen 
kommen willst. Die Wasser, die zu meinen Füßen Hinrauschen und zu 
Tal springen, sie eilen in die Arme ihrer Allmutter, Meer genannt. 
Sie gehen heim, dorthin, woher sie gekommen sind, und kehren zu 
neuem Leben wieder zurück aus dem Ozean. Wir Tannenbäume aber 
und unsere Kinder sind nicht so gut dran, wie die Wellen des Bäch¬ 
leins. Wir müssen sterben, wenn wir den Erdboden verlassen, auf 
dem wir groß geworden sind, und unsere Kinder müssen den Menschen 
dienen und sich gefallen lassen, was immer sie mit ihnen und aus 
ihnen machen wollen. Doch je höher ein Geschöpf im Reiche der Natur 
steht, um so unglücklicher ist es. Wir Tannen küssen den Äther des 
Himmels, während die Bächlein in der Tiefe hinschleichen. Wir emp¬ 
fangen das erste und das letzte Gold der auf- und untergehenden 
Sonne, während die Wasser noch oder schon in der Finsternis dahin¬ 
eilen. Und doch sind sie unsterblich, wir aber stürzen und sterben." 
So sprach meine Mutter, und eine große Harzträne lief an ihrem 
schlanken Leib hinunter. Ich schwieg nun fortan, war jedoch durch 
ihre Worte nicht bekehrt. Die Jugend vernimmt ja die Mahnungen 
und Lehren des Alters meist mit tauben Ohren und glaubt erst an 
die Wahrheit dessen, was Vater und Mutter gepredigt, wenn diese 
längst nicht mehr sind. 
Ich empfand trotz der Warnung der Mutter immer und immer 
wieder von neuem Sehnsucht, in die Welt und unter Menschen zu 
kommen. Es war mir zu öde und zu einförmig, das Leben bei der 
Tannenmutter, denn ich hatte zu wenig Unterhaltung. Ich spielte 
zwar manchmal mit dem Moos, das meiner Mutter Leib wie schneeiges 
Haar umsponnen hatte, oder mit den Ameisen, die zur Sommerzeit 
uns besuchten — aber das genügte mir nicht. Auch das Pärchen 
Kreuzschnäbel, welches jedes Jahr auf unseren Zweigen sein Nest baute 
und damit begann, wenn noch Schnee auf allen Bäumen lag, konnte 
mich nicht genügend unterhalten. Wenn das Männchen mit seiner 
roten Brust am Abend und am Morgen sein stilles Lied sang, hörte 
ich fast nichts davon ob des rauschenden Wasserfalles zu den Füßen 
meiner Mutter, und waren einmal die Jungen flügge, so flogen Eltern 
und Kinder davon und ließen uns den Sommer über allein. 
In den Wurzeln meiner Taunenmutter hauste eine Familie Hasel¬ 
mäuse, denen ich oft zuschaute, wie sie eintrugen und ihre Jungen in
	        
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