Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

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selbst die höchsten Berggipfel. Diese oft unvorhergesehenen, häufig schnell 
wechselnden Veränderungen des Wetters sind der Volkssage nach die Launen 
des gewaltigen Berggeistes Rübezahl, welcher diese schauerlich großartige 
Gebirgsgegend beherrschen soll. 
272. Der Glockenguß zu Breslau. 
W. Müller. 
1. War einst ein Glockengießer 
Zu Breslau in der Stadt, 
Ein ehrenwerter Meister, 
Gewandt in Rat und That. 
2. Er hatte schon gegossen 
Viel Glocken, gelb und weiß, 
Für Kirchen und Kapellen, 
Zu Gottes Lob und Preis. 
3. Und seine Glocken klangen 
So voll, so hell, so rein: 
Er goß auch Lieb' und Glauben 
Mit in die Form hinein. 
4. Doch aller Glocken Krone, 
Die er gegossen hat, 
Das ist die Sünderglocke 
Zu Breslau in der Stadt. 
5. Im Magdalenenturme, 
Da hängt das Meisterstück, 
Rief schon manch starres Herze 
Zu seinem Gott zurück. 
6. Wie hat der gute Meister 
So treu das Werk bedacht! 
Wie hat er seine Hände 
Gerührt bei Tag und Nacht! 
7. Und als die Stunde kommen, 
Daß alles fertig war, — 
Die Form ist eingemauert, 
Die Speise gut und gar: — 
8. Da ruft er seinen Buben 
Zur Feuerwacht herein: 
„Ich lass' auf kurze Weile 
Beim Kessel dich allein, 
9. Will mich mit einem Trunke 
Noch stärken zu dem Guß, 
Das giebt der zähen Speise 
Erst einen vollen Fluß; 
10. Doch hüte dich und rühre 
Den Hahn mir nimmer an! 
Sonst wär' es um dein Leben, 
Fürwitziger, gethan!“ — 
LL. Der Bube steht am Kessel, 
Schaut in die Glut hinein; 
Das wogt und wallt und wirbelt 
Und will entfesselt sein. 
12. Und zischt ihm in die Ohren 
Und zuckt ihm durch den Sinn 
Und zieht an allen Fingern 
Ihn nach dem Hahne hin. 
13. Er fühlt ihn in den Händen, 
Er hat ihn umgedreht; 
Da wird ihm angst und bange, 
Er weiß nicht, was er thät, — 
14. Und läuft hinaus zum Meister, 
Die Schuld ihm zu gestehn, 
Will seine Knie' umfassen 
Und ihn um Gnade flehn. 
15. Doch wie der nur 
Des Knaben erstes Wort, 
Da reißt die kluge Rechte 
Der jähe Zorn ihm fort. 
16. Er stößt sein scharfes Messer 25 
Dem Buben in die Brust; 
Dann stürzt er nach dem Kessel, 
Sein selber nint bewußt. 
17. Vielleicht, daß er noch retten, 
Den Strom no) hemmen kann! — 30 
Doch sieh, der Guß ist fertig, 
Es fehlt kein Tropfen dran. 
18. Da eilt er abzüräumen 
Und sieht — und will's nicht sehn — 
Ganz ohne Fleck und Makel. ss 
Die Glocke vor sich stehn. 
19. Der Knabe liegt am Boden, 
Er schaut sein Werk nicht mehr, 
Ach, Meister, wilder Meister 
Du stießest gar zu sehr! 
20. Er stellt sich dem Gerichte, 
Er klagt sich selber an. 
Es thut den Richtern wehe 
Wohl um den wackern Mann. 
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