Full text: Für die Unterstufe der Lehrerseminare (Band 2, [Schülerband])

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156. Die alte Waschfrau. (1833.) 
Von A. von Chamisso. 
Werle. Leipzig 1842. Bd. III, S. 62. 
¶l. Du siehst geschäftig bei dem Linnen 4. Sie hat gespart und hat gesonnen, 
die Alte dort im weißen Haar, Und Flachs gekauft und nachts gewacht, 
Die rüsligste der Wäscherinnen Den Flachs zu feinem Garn gesponnen, 
In sechsundsiebenzigsten Jahr. Das Garn dem Weber hingebracht; 
So hat sie stets mit sauerm Schweiß Der hat's gewebt zu Leinewand; 
Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen Die Schere brauchte sie, die Nadel, 
Und ausgefüllt mit treuem Fleiß Und nähte sich mit eigner Hand 
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen. Ihr Sterbehemde sonder Tadel. 
. Sie hat in ihren jungen Tagen 5. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schãtzt es, 
Heliebt gehofft und sich vermählt; Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz; 
Zie hat des Weibes Loos getragen, Es ist ihr erstes und ihr letztes, 
Die Sorgen haben nicht gefehlt; Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz. 
die hat den kranken Mann gepflegt; Sie legt es an, des Herren Wort 
Sie hat drei Kinder ihm geboren; Am Sonntag früh sich einzuprägen 
Sie hat ihn in das Grab gelegt Dann legt sie's wohlgefällig fort, 
Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren. Bis sie darin zur Ruh' sie legen. 
43. Da galt's die Kinder zu ernähren; 6. Und ich, an meinem Abend, wollte, 
griff es an mit heiterm Muth, Ich hätte, diesem Weibe gleich, 
de eß sie auf in Zucht und Ehren, Erfüllt, was ich erfüllen follte 
r Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut. In meinen Grenzen und Bereich; 
sie ihren Unterhalt, Ich wollt', ich hätte so gewußt, 
le sie segnend ihre Lieben; Am Kelch des Lebens mich zu laben 
stand sie nun allein und alt, Und könnt' am Ende gleiche Lust 
dhr war ihr heit'rer Muth geblieben. An meinem Sterbehemde haben. 
157. Die drei Indianer. 
Von U. Lenau. 
Sämmtliche Werke. Stuttgart 1874. Bd. J1, S. 86. 
1. Mäãchtig zürnt der Himmel im Ge— Fluch dem Windhauch, dienstbar ihrem Schiffe! 
— witter, Hundert Flüche jedem Felsenriffe, 
mettert manche Rieseneich in Splitter, Das sie nicht hat in den Grund geschmettert! 
tönt des Niagara Stimme, 5. „Täglich übers Meer in wilder Eile 
* mit seiner Blitze Flammenruthen Fliegen ihre Schiffe, gift'ge Pfeile 
dn er schneller die beschäumten Fluten, Treffen unsre Küste mit Verderben. 
sie stürzen mit empörtem Grimme. Nichts hat uns die Räuberbrut gelassen, 
Indianer stehn am lauten Strande, Als im Herzen tödtlich-bittres Hassen: 
N hen nach dem wilden Wogenbrande, Kommt, ihr Kinder, kommt, wir wollen 
des Waldes bangem Sterbgestöhne; sterben.“ 
* der eine, mit ergrautem Haare, 6. Also syrach der Alte, und sie schneiden 
* echt überragend seine Jahre, Ihren Nachen von den Uferweiden, 
wei andern seine starken Söhne. Drauf sie nach des Stromes Mitte ringen; 
Seine Söhne jetzt der Greis betrachtet, Und nun werfen sie weithin die Ruder, 
iln sein Blick sich dunkler jetzt umnachtet, Armverschlungen Vater, Sohn und Bruder 
Wolken, die den Himmel schwärzen, Stimmen an, ihr Sterbelied zu singen. 
in sein Aug' versendet wildre Blitze 7. Laut ununterbrochne Donner krachen 
in das Weller durch die Wolkenritze, Blitze flattern um den Todesnachen, 
er spricht aus tief empöͤrtem Herzen: Ihn umtaumeln Möwen sturmesmunter 
„Fluch denWeißenl ihren letzten Spuren! Und die Männer kommen fest entschlossen, 
de he Fluch, worauf sie fuhren, Singend schon dem Falle zugeschossen, 
ie einst, Bettler, unsern Strand erklettert! Stürzen jetzt den Kalaralt binunter.
	        
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