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jener Gegenden gefördert worden ist. Wenn in Bauwerken aus alter
Zeit das Auge etwas Schönes und Gediegenes, ein ausdrucksvolles Ge¬
präge sucht, da findet es erquickende Weide in dieser Städte Gassen voll
alter, mit reichem Schnitz- und Skulpturwerk und mit frommen Sprüchen
gezierter Häuser aus Holz und Stein, über welche ansehnliche Kirchen
und Rathäuser emporsteigen. Wen erfreut hier z. B. nicht jener alte
deutsche Giebelbau, der so malerisch und stattlich jedes Haus wie eine
fest und stolz dastehende Burg in der Reihe der andern erscheinen läßt?
Städte, wie Braunschweig, Hannover — man betrachte in letzterer Stadt
nur das Rathaus, das Leibnitz-Haus und einige benachbarte Gebäude
— oder Münster, Osnabrück, Bremen, oder auch Soest und Paderborn
enthalten in den genannten Beziehungen noch viel des Lobwürdigen und
machen einen wohnlichen, gut deutschen Eindruck. Eine ähnliche Er¬
scheinung bieten selbst östlich von der Elbe auf dem Gebiete des nord¬
deutschen Tieflandes eine Zahl Städte, z. B. Elbing, Danzig, Stralsund,
Rostock und Lübeck. Im Süden Deutschlands ist, die Kirchen abgerechnet,
verhältnismäßig seltener ein gutes Bauwerk aus alter Zeit vorhanden.
Unter den größeren Städten haben eigentlich nur Nürnberg und Regens¬
burg den alten Charakter zu bewahren gewußt; denn selbst die frühere
Krönungs- und die Kaiserstadt, selbst Frankfurt und Wien sind modernisiert.
Wie östlich vom Rhein in der niedersächsischen Ebene die binnen¬
ländische Südhälfte vor der nördlichen durch eine freundlichere und be¬
lebtere Physiognomie sich auszeichnet, so westlich von diesem Strome.
Hier liegen äußerst fruchtbare und sorgfältig angebaute Gegenden, hier
das Kölner und Jülicher Land und weiterhin, die gesegneten Gefilde von
Flandern und Brabant. Hier, besonders in den beiden letzteren, drängen
sich Ortschaften an Ortschaften, deren Feldmarken, tausendfältig geteilt,
von zahllosen Gräben, Hecken, Baumschulen und Baumgärten durchzogen
sind, welche zugleich die Häuser und Dörfer umgeben, so daß die Land¬
schaft, wiewohl ihr Unebenheit und Waldungen fehlen, den Charakter der
Bedecktheit und Durchschnittenheit erhält.
Von einer Höhe herab gesehen, bietet sie bald strichweise den An¬
blick eines durchbrochenen Waldes, bald lange Strecken hindurch wie
eines ununterbrochenen Laub- und Obstbaumgartens dar. Sie erhält
dadurch die auffallendste Ähnlichkeit mit der Lombardei, wo man eine
gleiche Fülle von Bäumen, Gärten und Ackerfeldern antrifft. Nur die
rankenden Weinreben und die hohen Maisfelder der Lombardei fehlen,
dagegen gleichen sich beide wieder in der Bewässerung. Wie der Po mit
seinen Nebenflüssen die Hauptlebensader des lombardischen Niederlandes
so die Schelde mit ihren Nebenflüssen von einem Teile dieses
belgischen; denn ihre Gewässer durchfließen mit ihren zahllosen Be-
wässerungs- und Schiffahrts-Kanälen die Landschaften, welche sie zugleich
anfeuchten, düngen und fahrbar machen.