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brich mich! winkt sie und beugt sich dem Menschen entgegen. Das ist
die Zeit, durch die Kornfelder zu wandern.
Ein Gang durchs Kornfeld — Sonntagslust-und Sonntagsdienst
des Arbeiters, der eine schwere Woche im Schweiße des Angesichts den
Boden bestellt! Freude und Sehnsucht der Alten und Kinder! Zwischen
den Kornfeldern meines Dorfes, wie oft bin ich da umhergeirrt! Da
sehe ich auch dich, ehrwürdiger Großvater, wandeln mit den Enkeln im
Gespräch oder stehen bleibend in einem langen, dankbaren Blick alle die
Fülle um dich her ermessen und mit zitternden Händen die Frucht der
Ähre tasten. Ein frommes Lächeln leuchtet über dein greises Gesicht,
und du bist selber ein solcher Acker voll Segen und weißt es nicht in
deines Herzens Einfalt.
Ein Gang durchs Kornfeld um Mittag! Welch eine eigne, fast
seltsame Poesie liegt darin! Man streift auf den Rainwegen hin zwischen
den hohen Ährengassen, in denen die Glut des Tages sich verfängt. Da
drinnen kocht und gährt und arbeitet es unhörbar; die Sonnengeister, die
Erdmännchen bereiten aus verborgenen Kräften das Manna der Welt.
Schwül und glasig zittert die Luft über den weiten Flächen; aber kein
Halm regt sich, keine Wolke zieht über die brennende blaue Wüste des
Himmels. Alles steht unbewegt im flimmernden Zauber, und der Knabe,
den Radel und Kornblume immer weiter vom Wege ab in den Halmen-
wald gelockt, schaut ängstlich, ob nicht aus dem schattenlosen Dickicht Frau
Hollas, des Roggenweibes, fahlbeschleiertes Haupt hervordrohe.
Laß stehn die Blume!
Geh nicht ins Korn!
Die Roggenmuhme
Zieht um da vorn!
Bald duckt sie nieder,
Bald guckt sie wieder:
Sie wird die Kinder fangen,
Die nach den Blumen langen! (A. Kopisch.)
Nirgends ein Laut. Nirgends Mensch noch Tier: fremdes, ödes
Schweigen überall. Auch die Lerche ist still geworden, nur die Grille
schrillt ohne Aufhören. Wohin euer Auge blickt, Streifen an Streifen
glänzen die stummen, einsamen Gebiete. Aber gehet weiter! Thalab, wie
iw Neste versteckt, lugt ein Dörfchen mit seinen Strohdächern und den
l>reitkuppeligen Birnbäumen aus den Feldern; hügelan wartet eine Mühle
auf ein wehendes Lüftchen, während jenseits auf grüner Koppe die Rinder
wit gesenkten Häuptern in der Sonne stehen und die Wärme trinken.
Wie gern verliert sich der Blick in solche Scenen! Wo ist der Fülle
goldnes Horn so reichlich ausgeschüttet und das Mahl so voll bereitet
für die bedürftigen Kinder der Erde?