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Als er einstmals in Mainz war, trat er in das Haus eines Bäckers, um sich
am Backofen zu wärmen. Die Bäckersfrau hielt ihn für einen einfachen Kriegs¬
knecht und schalt über den König und feine Soldaten, die nur eine Last für den
Bürger seien. Rudolf blieb ganz ruhig; die Frau aber wies ihn zur Thüre hinaus.
Als er nicht gleich ging, nahm sie einen Topf mit Wasser und begoß ihn von oben
bis unten. Der König ging gelassen fort. Am Mittage aber schickte er einen
Boten mit einer Schüssel der besten Speise von seinem Tische zu der Bäckerfrau
und ließ ihr sagen: „Das schickt der Ritter, den Du heute so unfreundlich behan¬
delt hast!" Als die Frau nun erfuhr, daß sie den König begossen hatte, erschrak
sie sehr, lief zu ihm und bat ihn um Verzeihung. Rudolf legte ihr als' Strafe
nur auf, daß sie vor seinen Gästen erzählen mußte, was sie am Morgen gesagt
und gethan hatte. Dafür wurde sie ordentlich ausgelacht.
6. Zein Tod. Als König Rudolf sein Ende herannahen fühlte, wollte
er nach Speier reisen, wo sich die Grabstätten der deutschen Kaiser besinden.
Er kam jedoch nur bis Germersheim, wo er 1291 starb.
12. Das Rittertum.
1. Aame. Schon in alter Zeit war es bei den Deutschen eine Auszeichnung
gewesen, den Kriegsdienst zu Pferde zu leisten; unter König Heinrich I. wurde der
Reiterdienst besonders ausgebildet. Im Laufe der Zeit bildete sich in ganz Europa
namentlich durch die Kreuzzüge ein eigener Stand aus, der Nitterstand.
2. Jie Mosinungen der Ritter hießen Burgen. Sie waren meist auf schwer
zugänglichen Bergen angelegt; befanden sie sich in der Ebene, so waren sie durch Flüsse
oder Sümpfe geschützt. Um die Burg befand sich stets eine hohe Mauer, die oft sehr
dick war; ein festes Thor vermittelte oder versperrte den Eingang. Bei großen Burgen
lag hinter dieser Umfassungsmauer ein großer Ranm für Ställe und Scheuern;
dann kam man an einen Graben, über welchen eine Zugbrücke führte, und an die
innere Umfassungsmauer. Schritt man durch das wohlgeschützte Thor, so trat man
in den Burghof, in welchem sich die Wohngebäude vorfanden. Ein großer Saal
war der Sammelplatz für die ganze Familie; nebenan befanden sich die kleinen
Wohnräume. Ein Turm überragte die Burg; oben hielt der Wächter Umschau,
wer sich der Burg nähere; unten befand sich oft das „Burgverließ", das als Ge¬
fängnis benützt wurde.
3. Die Erziehung des Ritters war eine kriegerische. Bis zum siebenten
Jahre blieb der Knabe unter der Obhut der Frauen. Dann trat er als Edel¬
knabe oder Page in den Dienst eines anderen Ritters, begleitete diesen auf der
Jagd, auf Spaziergängen und Reisen und wartete auch bei Tische auf. Er wurde
unterrichtet und lernte Anstand und feine Sitte. Gleichzeitig wurde er im Waffen¬
dienste geübt; er lernte die Lanze schwingen, die Armbrust handhaben, ein Roß be¬
steigen und mit Speer und Schild umgehen. Mit dem 14. Jahre wurde er
Knappe und erhielt ein Schwert. Jetzt durfte er schon in die Schlacht mitziehen;
er trug die Waffen feines Herrn; ward sein Herr vom Pferde gestoßen, mußte ihm
der Knappe beistehen und ibm ein anderes Pferd zuführen. Zu Hause aber erhielt
fein Körper in mühsamen Spielen Gelenkigkeit, Stärke und Gewandtheit. In
voller Rüstung mußte der Knappe auf ein Pferd springen, hohe Mauern hinauf-
und herunterklettern, eine Leiter nur mit den Händen erklimmen. Auch im Fechten
und Schießen mit der Armbrust wurde er gründlich ausgebildet. Mit dem
21. Jahre wurde der Knappe zum Ritter geschlagen. Der Ritterstand war der
höchste, angesehenste im Reiche, Kaiser und Könige ließen sich in denselben auf¬
nehmen. Ein tüchtiger Ritter war nicht nur ein tapferer Held, sondern auch ein
treuer Sohn der Kirche. Daher bereitete sich der Knappe durch Empfang der heil.
Sakramente, Gebet und Fasten auf den Empfang des Ritterschlages vor. In der
Kirche wurde sein Schwert geweiht, dann versammelten sich Ritter und Edel¬
frauen im Saale der Burg oder im Burghofe. Ein angesehener Ritter ward zur
Erteilung des Ritterschlages bestimmt. Er prüfte die Absicht des Knappen, aus
welcher er in den Ritterstand trat, und legte ihm die Ritterpflichten ans Herz.
Ehrfurcht vor Gott, Schutz den Hilflosen, besonders den Witwen und Waisen,