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vierzehn Bildern und scheint daher absichtlich von dem Baumeister gewählt
worden zu sein, um daran zu erinnern, daß Maria und die Apostel gleich¬
sam die Säulen des von Christus errichteten neuen Tempels seien. Auch
das Lang- und Querschiff sind jüngst mit einer Reihe Heiligen in trefflichen
Sculpturen ausgestattet worden. — Alle übrigen Verzierungen der Säulen
sind bloßer Schmuck. Die Kapitale sind mit einem zweifachen Kranz von
Laubwerk umgeben, aus der lebendigen Natur, dem heimatlichen Felde und
Walde genommen, und so schön gearbeitet, als wären frische grüne Zweige
um die Säulen gewunden. Auf gleiche Weise sind die Hohlkehle des unter
dem kleinen Bogengang der Fenster fortlaufenden Gesimses, die Tragsteine
der Standbilder und die Schlußsteine der Gewölbe mit Laubwerk geschmückt.
Man erkennt in vielen Fällen die Pflanzen, welche als Vorbild zu dem
Laubwerk gedient haben: so unter andern Eiche, Kastanie, Mariendistel, Wei߬
dorn, Bärenklau, Weinrebe, Waldanemone, Hopfen, davon manche mit Blättern
und Früchten. Darin besteht eben die Eigenthümlichkeit, daß Alles dem
Geist und Wesen nach ganz der lebendigen Pflanzennatur nachgebildet ist.
Malerei. Um die Bildwerke mit der Pracht der farbigen Fenster
in Uebereinstimmung zu setzen, wurden die Standbilder an den Säulen des
Chores auf das Sorgfältigste ausgemalt, die Gesichter mit natürlichen Farben,
die Gewänder abwechselnd mit Farben und reicher damastblumiger Vergol¬
dung; die Tragsteine aber und die Schlußsteine wurden ganz vergoldet. In
der neuesten Zeit, wo das Innere des Chors nöthiger Bauarbeiten wegen
ganz mit Gerüsten bestellt war, kamen durch Ablösung der Kalkdecke bedeu¬
tende Malereien und Vergoldungen zum Vorschein. Es zeigte sich nämlich,
daß alle Felder in den Zwickeln der Bogen auf goldenem Grunde, wie es
scheint, mit Temperafarben bemalt gewesen. In jedem Felde sah man einen
schwebenden, gegen die Spitze des Bogens hin gerichteten Engel von Lebens¬
größe, und zwar an den geraden Seiten alle Engel ein musikalisches Instru¬
ment haltend, an der Rundung aber um das Allerheiligste herum alle Engel
ein Rauchfaß schwenkend *). Durch diese Engel so wie durch die kleinen siu-
’) An eine Auffrischung dieser kaum noch erkennbaren Ueberreste konnte nicht ge¬
dacht werden, es mußte also Neues im Geiste des Alten geschaffen werden. Diese
Ausgabe löste E. Steinle in den I. 1841 und 1845, indem er die Gurtbogenfelder des
Domchores durch Darstellung der Engelchöre in Gemälden al fresco auf gepreßtem
Goldgründe ausfüllte. Die drei Chöre der Cherubim, Seraphim und Throne,
deren Aemter sich nach der christlichen Symbolik unmittelbar auf Gott beziehen, reihen
sich zunächst um den Hochaltar und sind als Köpfe auf Flügeln dargestellt, indem die
Idee des Aufsteigens in die himmlischen Kreise dadurch versinnlicht wird, daß die zu¬
nächst dem thierischen Leben angehörigen Körpertheile in den höheren Ordnungen immer
mehr verschwinden und dagegen die Zahl der Flügel zunimmt. Daran reiht sich eine
andere auf die Lenkung der Welt gerichtete Dreiheit, die Herrschaften, die Mächte
(virtlltes) und die Gewalten (pl'testates); die ersten, als Befehle ertheilend, tragen
Krone und Scepter, die Mächte, mit Stäben und Diadem, vollziehen die Befehle, die
Gewalten, die Besieger der Hindernisse, tragen Spieße und halten Dämone an Fesseln.
Zwischen ihnen, als Wächtern im Weltall, ist auch der Thierkrcis, die Sterne, Sonne,
Mond und Erde angebracht. Tann folgt die dritte Ordnung, deren Aemter zunächst
auf den Menschen gerichtet sind: die Fürstenthümer, als Schützer der geistlichen
und weltlichen Obrigkeit, mit Mauerkrone und Bischofsstab, die Erzengel (Michael
mit Schwert und Schild, ihm gegenüber Rafael, der Reiseengel, geschürzt, den Pilger¬
stab in der Hand, und Gabriel mit dem Lilienstengel), und die Engel, die als Schutze
engel das Antlitz nach dem Schiffe der Kirche, dem Aufenthalte des Volkes hingewendet
haben und in schützender, lohnender, mahnender Stellung Kronen und Siegespalmen
in den Händen haben.