Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen und die Secunda höherer Lehranstalten

214 
Flammen stehen, auf Befehl des Herzogs Wallenstein in Brand gesteckt, damit 
er von dieser Seite nicht überstügelt würde. 
Von einem fürchterlichen Feuer der Musketen und des dahinter gepflanzten 
groben Geschützes enrpfangen, setzten diese tapfern Bataillons mit uner¬ 
schrockenem Muth ihren Angriff fort, die feindlichen Musketiere verlassen ihren 
Posten, die Gräben sind übersprungen, die Batterie selbst wird erobert und 
sogleich gegen den Feind gerichtet. Sie dringen weiter mit unaufhaltsamer 
Gewalt, die erste der fünf Friedländischen Brigaden wird niedergeworfen, 
gleich darauf die zweite, und schon wendet sich die dritte zur Flucht; aber 
hier stellt sich der schnell gegenwärtige Geist des Herzogs ihrem Andrang ent¬ 
gegen. Mit Blitzesschnelligkeit ist er da, der Unordnung seines Fußvolks zu 
steuern, und seinem Machtwort gelingt's, die Fliehenden zum Stehen zu be¬ 
wegen. Von drei Cavallerie-Regimentern unterstützt, machen die schon geschla¬ 
genen Brigaden auf's Neue Fronte gegen den Feind und dringen mit Macht 
in seine zerrissenen Glieder. Ein mörderischer Kampf erhebt sich, der nahe 
Feind gibt dem Schießgewehr keinen Raum, die Wuth des Angriffs keine 
Frist mehr zur Ladung, Mann ficht gegen Mann, das unnütze Feuerrohr 
macht dem Schwert und der Pike Platz, und die Kunst der Erbitterung. 
Ueberwältigt von der Menge weichen endlich die ermatteten Schweden über 
die Gräben zurück, und die schon eroberte Batterie geht bei diesem Rückzug 
verloren. Schon bedecken tausend verstümmelte Leichen das Land, und noch 
ist kein Fuß breit Erde gewonnen. 
Indessen hat der rechte Flügel des Königs, von ihm selbst angeführt, 
den linken des Feindes angefallen. Schon der erste machtvolle Andrang der 
schweren finnländischen Cuirassiere zerstreute die leicht berittenen Polen und 
Kroaten, die sich an diesen Flügel angeschlossen, und ihre unordentliche Flucht 
theilte auch der übrigen Reiterei Furcht und Verwirrung mit. In diesem 
Augenblick hinterbringt man dem König, daß seine Infanterie über die Grä¬ 
ben zurückweiche und auch sein linker Flügel durch das feindliche Geschütz von 
den Windmühlen aus furchtbar geängstigt und schon zum Weichen gebracht 
werde. Mit schneller Besonnenheit überträgt er dem General von Horn, 
den schon geschlagenen linken Flügel des Feindes zu verfolgen, und er selbst 
eilt an der Spitze des Srenbock'schen Regiments davon, der Unordnung seines 
eigenen linken Flügels abzuhelfen. Sein edles Roß trägt ihn pfeilschnell 
über die Gräben; aber schwerer wird den nachfolgenden Schwadronen der 
Uebergang, und nur wenige Reiter waren behend genug, ihm zur Seite zu 
bleiben. Er sprengte geraden Weges demjenigen Orte zu, wo sein Fußvolk 
am gefährlichsten bedrängt war, und indem er seine Blicke umhersendet, irgend 
eine Blöße des feindlichen Heeres auszuspähen, auf die er den Angriff richten 
könnte, führt ihn sein kurzes Gesicht zu nahe an dasselbe. Ein kaiserlicher 
I Gefreiter bemerkt, daß dem Vorübersprengenden Alles ehrfurchtsvoll Platz 
macht, und schnell befiehlt er einem Musketier, auf ihn anzuschlagen. „Auf 
den dort schieße," ruft er, „das muß ein vornehmer Mann 'sein." Der 
Soldat drückt ab, und dem König wird der linke Arm zerschmettert. In 
diesem Augenblicke kommen seine Schwadronen dahergesprengt, und ein ver¬ 
wirrtes Geschrei: „Der König blutet! — Der König ist erschossen!" 
breitet unter den Ankommenden Schrecken und Entsetzen aus. „Es ist nichts 
— folgt mir!" ruft der König, seine ganze Stärke zusammenraffend; aber 
überwältigt von Schmerz und der Ohnmacht nahe, bittet er in französischer 
Sprache den Herzog von Sachsen-Lauenburg, ihn ohne Aufsehen aus dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.