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Der Bub erschrak, sobald er dies vernommen.
Ach, sprach er, lauft doch nicht so sehr!
30 Doch wieder aus den Hund zu kommen.
Wie groß, sagt' ich, daß er gewesen wär'?
Wie Euer großes Pferd? Dazu will viel gehören.
Der Hund, jetzt fällt mir's ein, war erst ein halbes Jahr.
Allein, das wollt' ich wohl beschwören,
35 Daß er so groß als mancher Ochse war.
Sie gingen noch ein gutes Stücke;
Doch Fritzen schlug das Herz. Wie konnt' es anders sein?
Denn Niemand bricht doch gern ein Bein.
Er sah nunmehr die richterische Brücke,
40 Und fühlte schon den Beinbruch halb.
Ja, Vater, fing er an, der Hund, von dem ich red'te.
War groß, und wenn ich ihn auch was vergrößert hätte,
So war er doch viel größer, als ein Kalb.
Die Brücke kommt, Fritz! Fritz! wie wird Dir's gehen!
45 Der Vater geht voran: doch Fritz hält ihn geschwind.
Ach, Vater! spricht er, seid kein Kind,
Und glaubt, daß ich dergleichen Hund gesehen.
Denn kurz und gut, eh' wir darüber gehen:
Der Hund war nur so groß, wie alle Hunde sind.
3. Der Hänflings
(Von Gottfr. Lichtwer.)
1. Ein Hänfling, den der erste Flug
Aus seiner Eltern Neste trug,
Hub an, die Wälder zu beschauen,
Und kriegte Lust, sich anzubauen,
Ein edler Trieb: denn eigner Herd
Ist, sagt das Sprichwort, Goldes werth.
2. Die stolze Glut der jungen Brust
Macht ihm zu einem Eichbaum Lust.
Hier wohn' ich, sprach er, wie ein König;
Dergleichen Nester gibt es wenig.
Kaum stund das Nest, so ward's verheert
Und durch den Donnerschlag verzehrt.
3. Es war ein Glück bei der Gefahr,
Daß unser Hänfling auswärts war,
Er kam, nachdem es ausgewittert,
Und fand die Eiche halb zersplittert.
Da sah er mit Bestürzung ein,
Er könne hier nicht sicher sein.
4. Mit umgekehrtem Eigensinn
Begab er sich zur Erde hin,
Und baut in niedriges Gesträuche;
So scheu macht ihn der Fall der Eiche.
Doch Staub und Würmer zwangen ihn,
Zum andern Mal davon zu zieh'n.
5. Da baut' er sich das dritte Haus,
Und las ein dunkles Büschchen aus,
Wo er den Wolken nicht so nahe,
Doch nicht die Erde vor sich sahe:
Ein Ort, der in der Ruhe liegt:
Da lebt er noch, und lebt vergnügt.
* »*
*
6. Vergnügte Tage findet man,
Woferne man sie finden kann,
Nicht auf dem Thron, und nicht in Hütten,
Kannst Du vom Himmel es erbitten,
So sei Dein eigner Herr und Knecht:
Dies bleibt des Mittelstandes Recht.
4. Der Esel-).
(Von Matthi
Hab' Nichts, mich dran zu freuen,
Bin dumm und ungestalt.
Ohn' Muth und ohn' Gewalt;
Mein spotten und mich scheuen
5 Die Menschen, jung und alt;
Bin weder warm noch kalt;
Hab' Nichts, mich dran zu freuen;
s Claudius.)
Bin dumm und ungestalt;
Muß Stroh und Disteln kauen;
10 Werd' unter Säcken alt —
Ach! die Natur schuf mich im Grimme l
Sie gab mir Nichts, als eine schöne
Stimme.
i) Denselben Grundgedanken, das Glück in der Beschränkung, stellt Fröhlich'^
„Niederes Loos" (S. 273) dar.
-) Die Fabel ist um so gelungener, weil die Moral sich beinah ganz absichtslos
ergibt und die traurigen Betrachtungen des Esels, welche auf Selbstkenntniß beruhen,
die sich selbst täuschende Eitelkeit desto glänzender hervortreten lasten. (Kurz.)