Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen und die Secunda höherer Lehranstalten

12. Niederes Loos*). 
(Von Abraham Emanuel Fröhlich.) 
Zu der niedern Trauerweide, 
Grünend an dem klaren Bach, 
Sagt die Pappel: „Wachs' mir nach 
Zu der Höhe stolzer Freudei" 
5 Und die Weide sprach dawider: 
„Pappel, neige Dich hernieder 
Zu des Baches frischen Wellen, 
Wo mir solche Freuden quellen, 
Die Du droben nicht genossen: 
10 Schau, wie hier die Blumen sprossen 
Und die Sterne sich erhellen!" • 
13. Nechtshandel. 
(Von Abraham Emanuel Fröhlich.) 
Zwei reiche Matten zankten lang' 
Ob zweier Bäume Ueberhang: 
Denn jede möchte Sonnenschein 
Und ihres Baumes Frücht' allein; 
5 Und jede spricht uralten Brauch 
Und Zeugniß selbst der Markung an, 
Kraft welcher sie der Andern auch 
Den Uebergang verwehren kann. 
Und gab es nicht gescheidt're Leut', 
10 Sie zankten sich darob noch heut. 
Zwei Bäche aber, grundgelahrt 
In aller krummen Markung Art, 
Die rauschten her, gerufen, schnell, 
Und untersuchten tief die Stell' 
15 Und gruben alten Marken nach, 
Daß selbst der Baum darüber brach; 
Und gruben tief in's Land hinein, 
Erlesend auch die kleinsten Stein'. 
Die Matten aber schwanden gar, 
20 Denn drob vergingen viele Jahr'. 
Der Spruch hieß endlich: „Theilet euch 
In Recht und Kosten;.sie sind gleich!" 
Die Bäche aber hatten sacht 
Das Land ins Trockne sich gebracht. 
14. 
(Von Abraham 
1. „Nicht laß' ich mich zäumen, 
Schäumt wüthend das Pferd, 
Ich werde mich bäumen, 
Mich wälzen zur Erd'; 
Und wenn sie mich schlagen, 
Zerreiß ich den Wagen 
Und stürze feldein 
Durch Klüft' nnd Gestein; 
Denn besser zu sterben, 
Als knechtisch verderben." 
Zucht. 
manuel Fröhlich.) 
2. „Gern ließ ich mich zügeln, 
Entgegnet der Springer, 
Und Schläge und Stich 
Verschoneten mich. 
So ward ich ein Ringer 
Und lernte beflügeln 
Mich selber zum Ziel. 
Biel besser gefiel 
Mir Zucht zu erwerben, 
Denn zuchtlos verderben." 
13. Die zwei Bäche. 
(Von Abraham Emanuel Fröhlich.) 
~ 1 „Laß uns, sprach ein Bach zum andern, 
Lustig durch die Thaler wandern, 
§lumenmatten, Wald und Lieder 
"lufen uns zu sich hernieder." 
5^2. „Warte doch, sprach der Geselle, 
rs°ch zu klein ist unsre Welle; 
verlörest dich in Bälde 
^uf dem breiten Sonnenfelde. 
3- Birg dich vor den gier'gen Sttahlen, 
^wrke dich in Bergesgründen! 
Doppelt wirst du dann in Thalen 
Freuden finden und verkünden." 
4. Doch umsonst zurückgerufen, 
Sprang von den Gebirgesstufen 
Jener mit Gejauchz hinab 
In sein frühes Freudengrab. 
5. Und der andre suchet Nahrung 
In des tiefen Schachts Verwahrung, 
Und es sprudelt seine Welle 
Jeho von des Berges Schwelle, 
Heilsam jedem der begegnet, 
Alle segnend, allgesegnet. 
*) Derselbe Grundgedanke, wie im Hänfling von Lichtwer (S. 270). 
dütz, Deutsches Lesebuch, ö Ausl. 
18
	        
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