Full text: [Abteilung 3 = Für Quarta, [Schülerband]] (Abteilung 3 = Für Quarta, [Schülerband])

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A. Erzählende Prosa. IV. Erzählungen. 
Es drängen sich nicht gar zu viele zu dem einsamen, eintönigen Dienst 
auf dem öden Meer. So wurde es mir nicht schwer, die Stelle zu be⸗ 
kommen, und ich habe sie nun seit vielen Jahren verwaltet. 
Meine Leute kommen und gehen; sie können's alle nicht lange aus— 
halten in dem stillen, schwanken, verankerten Gefängnis. Ist auch kein Spaß, 
im Spätherbst und Winter Tag und Nacht, Woche um Woche dazuliegen 
und die Stürme abzuwettern, wenn sie über die Nordsee herkommen, in 
langer, tosender Brandung die überkommenden Seen gegen das Schiff 
heranhetzend, daß der weiße, zischende Gischt bis zu den Lalernen aufspritzt 
und über die Bälle in den Toppen wegfegt. Oder gar erst, wenn dichter, 
weißer Nebel wie ein ungeheures Leichentuch sich über die See breitet, sich 
um das Schiff hängt, daß es ist, als gebe es gar keine Welt mehr außer 
der ganz kleinen, stillen, verdrossenen, die hier binnenbords lebt und von 
der aus das Nebelhorn in furchtbarer Gleichmäßigkeit hinausheult in die 
dicken Schwaden! Was nützt denn da das Licht unserer Laternen; der Nebel 
saugt es auf und verschlingt es! Und wenn wir elektrisches Licht hätten, 
es nützte doch nichts. Nur das Ohr vermag es zu finden in solcher Nacht, 
daß das fremde Schiff vor dem heulenden Klange abhält, um nicht zu stranden 
und zerscheiternd auf der bösen, verderblichen Bank unterzugehen, über der 
einst in alten Tagen so manch zeternd Schreien verklungen und über die 
hin so manche zertrümmerte Planke vom brausenden, brandenden Wasser 
geschwemmt sein mag. 
Es ist, während ich hier sitze und schreibe, dunkle, greifbare Nacht, 
Weihnachtsnacht. Der Sturm saust über die Nordsee her. Kein Sternan 
am Himmel. Unser Herrgott hat heute nicht den großen Weihnachtsbaum 
mit den Tausenden von funkelnden Lichtern angezündet. Schwarz, lichtlos 
ists oben, schwarz, düster um uns her dunkel imnter ins. De Sechrada 
ums Schiff nach Gewohnheit; zuweilen lönt ein anderer Qut dazwischen, 
das Schurren und Knarren der Eisschollen, die sich an ihm entlang scheuern. 
Drinnen im Lande auf dem Fluß ift Eisgang, und die zerschlagenen und 
zerfressenen Trümmer der Schollen, die dort sich zu Mauern und Bergen 
gestaut hatten, ziehen an uns in wüstem Zuge vorüber. Ich werde wohl 
bald meine vier Anker und 150 Meter Kelle an jedem einholen und mich 
hineinschleppen lassen müssen in den Hafen; denn in mancher Stunde der 
Nacht hat's schon gar unheimlich geknirscht um den Bug, wenn es war, als 
wolle das treibende Eis Sturm gegen uns laufen. 
Weihnachten! Es ist noch gar nicht so viele Jahre her, da brannte 
in meinem kleinen Hause an Land der Tannenbaum; zwei Monate, eh' 
Frau und Kind ertranken. Hell strahlte der Glanz der Lichter im traulichen 
Zimmer und malte die zarten Schattenrisse der Zweige an die Wand. Mir
	        
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