Augenblicks nach dem Scheiden. Dies Wissen ist die Beglaubigung
der Freundschaft.
Ähnliche Empfindungen haben wohl schon jedes reine Gemüt an
einem schonen, klaren Herbsttage bewegt. Ein solcher gießt über uns 25
das Verständnis des Scheidens aus. Und das Scheiden ist eine er¬
schütternde Stärkung für das sittliche Gemüt.
Wenn der Herbst begonnen hat, eilt jeder, der reisen kann und
zu reisen versteht, hinaus, um den längst gefaßten und bis jetzt klug
hinausgeschobenen Beschluß auszuführen. Die Wärme wird nun nicht 30
mehr lästig, und der wechselnde Gesichtskreis strahlt erweitert in reinerer
Klarheit als bisher. Wer dann eine größere Kenntnis der Natur als
Begleiterin mitnimmt, als dazu erforderlich ist, einen Laubwald von
einem Nadelwald zu unterscheiden, der darf nun auf einen Genuß
rechnen, den ihm nur der Herbst zu bieten vermag. 35
Im Sommer gehört ein seltner Scharfblick dazu, um in dem in
der Ferne zur Seite unsres Weges liegenden Walde mehr zu sehen
als verworrene Laubmassen. Wenn er nicht als reiner Eichenwald
durch zackige Verzweigung seiner zerrissenen Wipfel sich vor den schwellen¬
den, runden Laubkronen des Buchenwaldes kenntlich macht, wenn er 40
ein gemischter Laubwald ist, wie sie so häufig die sanften Abhänge
unsrer deutschen Landschaften bekleiden, dann bietet sein Anblick im
Sommer ein zuletzt doch ermüdendes Einerlei, in dem die Deutung der
Einzelheiten fast unbesiegbare Schwierigkeiten hat.
Nun aber kommt mit schnellen Schritten die Zeit, die uns nach 45
dem Walde lockt, die das grüne Einerlei in bunte Mannigfaltigkeit
auflöst.
Ein unergründliches Walten, von dem nur das Zurückweichen der
Wärme und das Schwächerwerden der Lichtwirkung als wirkende
Glieder uns zum Verständnis kommen, läßt das Leben allmählich ver-50
armen. Flora muß tief auf den Grund ihres entleerten Füllhorns
greifen, um noch einige Blümchen über den ersterbenden Boden auszu¬
streuen. Von den früheren Botinnen verläßt eine nach der andern
ihren Platz. Die Tiere suchen einen Zufluchtsort; die einen in wärmeren
Zonen, die andern im bergenden Schoße der Erde, um sich daselbst zu 55
langem Schlafe niederzulegen.
Zuletzt wird das Zögern des Herbstes dem Winter unbequem. Die
Geduld reißt ihm, und da ihm die Sonne noch nicht erlaubt, die
Herrschaft anzutreten, so überspringt er die Schranke unter dem Schutze
der Nacht, und obgleich er am Morgen von der Siegerin wieder ver-60
trieben wird, so gelang es ihm doch, über Nacht Unheil anzurichten.
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