Full text: (Siebentes bis neuntes Schuljahr) (Teil 4, [Schülerband])

„Es ist am End' keine Kunst", sagte der Stadttrompeter zum 
Stadtpauker, das Schweigen der betroffen dreinstarrenden Leute unter¬ 
brechend, „so viele Goldgulden hätte unsereiner auch verdienen können." 
Man kehrte zur Stadt zurück. 
5. 
Am andern Morgen — es war der Tag Johannis und Pauli, 
am 26. Juni — erschien der Spielmann auf dem Markt, wo eben 
auch der Bürgermeister sich eingefunden hatte. Vor diesen trat er: 
„Meine Zeit ist um, Herr, gebt mir den Lohn, der mir gebührt", sagte 
5 er. Sinnend wiegte der Gestrenge sein gedankenreiches Haupt mit der noch 
sichtbaren Beule, dann sprach er: 
„Hört, Spielmann, mir dünkt, was ihr getan, konnt' ein andrer 
auch — ihr habt uns einen losen Streich gespielt — ein Goldgulden 
für den Kopf ist zu viel des Guten, geht in euch — laßt nach!" — 
io „Ich habe solches nicht verlangt, ihr habt geboten und mir soviel 
gelobt." 
„Das Hexenstückchen da hätten unsre Stadtmusikanten auch fertig 
bringen können", sagte der naseweise Schneider. 
„Schweigt, Schneider", versetzte ruhig der Rattenfänger, „auch ihr 
io habt solchen Lohn versprochen!" — Neben dem Bürgermeister drängte 
sich jetzt die Gestalt des hohläugigen Bettlers hervor, um den sich vor 
kurzem die Kinder gestritten. Dieser murmelte zuerst leise, dann immer 
vernehmbarer: 
„Gebt, o gebt, was ihr versprochen, 
20 sonst wird der Wortbruch an euch gerochen!" 
Niemand achtete der Warnung, am allerwenigsten der Bürger¬ 
meister. „Versprechen hin, Versprechen her — Worthalten bringt hier 
großen Schaden, und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht 
zu sorgen! Die in Rinteln werden uns schön auslachen! Also ver¬ 
so nehmt: „Was unser Stadtpfeifer jährlich erhält, sollt Ihr auch haben 
— topp! nicht einen Heller mehr. — Was denkt ihr?" wandte er sich 
an die Bürger. 
„Recht so!" riefen die Leute, „der Bürgermeister sorgt für unser Wohl." 
„Gebt mir, was ihr versprochen", rief der Rattenfänger mit 
30 dumpfer Stimme — „oder euch treffe . . Er vollendete nicht, 
sondern erhob drohend die Hand mit der Pfeife und seine Augen 
funkelten recht unheimlich. Wieder murmelte der Alte dicht neben dem 
Bürgermeister seinen warnenden Spruch; er wiederholte ihn lauter; doch 
die Leute von Hameln achteten seiner nicht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.