„Es ist am End' keine Kunst", sagte der Stadttrompeter zum
Stadtpauker, das Schweigen der betroffen dreinstarrenden Leute unter¬
brechend, „so viele Goldgulden hätte unsereiner auch verdienen können."
Man kehrte zur Stadt zurück.
5.
Am andern Morgen — es war der Tag Johannis und Pauli,
am 26. Juni — erschien der Spielmann auf dem Markt, wo eben
auch der Bürgermeister sich eingefunden hatte. Vor diesen trat er:
„Meine Zeit ist um, Herr, gebt mir den Lohn, der mir gebührt", sagte
5 er. Sinnend wiegte der Gestrenge sein gedankenreiches Haupt mit der noch
sichtbaren Beule, dann sprach er:
„Hört, Spielmann, mir dünkt, was ihr getan, konnt' ein andrer
auch — ihr habt uns einen losen Streich gespielt — ein Goldgulden
für den Kopf ist zu viel des Guten, geht in euch — laßt nach!" —
io „Ich habe solches nicht verlangt, ihr habt geboten und mir soviel
gelobt."
„Das Hexenstückchen da hätten unsre Stadtmusikanten auch fertig
bringen können", sagte der naseweise Schneider.
„Schweigt, Schneider", versetzte ruhig der Rattenfänger, „auch ihr
io habt solchen Lohn versprochen!" — Neben dem Bürgermeister drängte
sich jetzt die Gestalt des hohläugigen Bettlers hervor, um den sich vor
kurzem die Kinder gestritten. Dieser murmelte zuerst leise, dann immer
vernehmbarer:
„Gebt, o gebt, was ihr versprochen,
20 sonst wird der Wortbruch an euch gerochen!"
Niemand achtete der Warnung, am allerwenigsten der Bürger¬
meister. „Versprechen hin, Versprechen her — Worthalten bringt hier
großen Schaden, und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht
zu sorgen! Die in Rinteln werden uns schön auslachen! Also ver¬
so nehmt: „Was unser Stadtpfeifer jährlich erhält, sollt Ihr auch haben
— topp! nicht einen Heller mehr. — Was denkt ihr?" wandte er sich
an die Bürger.
„Recht so!" riefen die Leute, „der Bürgermeister sorgt für unser Wohl."
„Gebt mir, was ihr versprochen", rief der Rattenfänger mit
30 dumpfer Stimme — „oder euch treffe . . Er vollendete nicht,
sondern erhob drohend die Hand mit der Pfeife und seine Augen
funkelten recht unheimlich. Wieder murmelte der Alte dicht neben dem
Bürgermeister seinen warnenden Spruch; er wiederholte ihn lauter; doch
die Leute von Hameln achteten seiner nicht.