Full text: [Teil 7 = Oberstufe, Zweite Abteilung (achtes Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 7 = Oberstufe, Zweite Abteilung (achtes Schuljahr), [Schülerband])

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D. Martin Luther. 
Man rühmt vom alten Blücher, daß er das Rätsel, wie einer seinen Kopf 
küssen könne, gelöst, indem er Gneisenau geküßt. Von solch demütiger 
Größe zeugt auch ein Tischgespräch Luthers. Anno 1536 den 1. August 
schrieb Dr. Martinus Luther auf seinen Tisch: „Sachen und Worte Philippus; 
Worte ohne Sachen Erasmus; Sachen ohne Worte Luther; weder Sachen 
noch Worte Carlstadt. Das ist: Was Philippus schreibt, hat Hände und 
Füße, die Sache ist gut, so sind die Wort auch gut; Erasmus macht 
viel Wort, es ist aber nichts dahinter; Lutherus hat wohl gute Sachen, 
aber die Wort sind nicht gut; Carlstadt hat weder gute Sachen noch gute 
Wort." 
Freundschaft will gute Nahrung haben. Die Freunde in Luthers Haus 
nährten ihren Bund mit den besten Dingen. Als Luther mitten in der 
Bibelübersetzung war, verordnete er einen eigenen Rat aus den besten 
Leuten, welche wöchentlich etliche Stunden vor dem Abendessen in seinem 
Hause zusammenkamen. Da brachte denn Luther die alte lateinische und 
die neue deutsche Übersetzung mit, Melanchthon den griechischen, Cruziger 
den hebräischen Text. Es ward dann eine Stelle vorgenommen und jeder 
sagte, was er wußte, nach Eigenschaft der Sprache und der alten Doktoren 
Auslegung. Und wunderschöne und lehrhaftige Reden fielen dabei. Der 
Arbeit folgte die Erholung. An den langen Winterabenden brachte die 
„Kantorei" Leben ins Haus. Luther war nicht der Meinung, daß durchs 
Evangelium die Künste sollten zu Boden geschlagen werden, er hoffte für 
dieselben von der Reformation heiligen Aufschwung. Unter allen stand 
ihm die Musika am höchsten. „Da kann nicht sein ein böser Mut, wo 
da singen Gesellen gut," so sang er selbst. „Musicam hab' ich allzeit lieb 
gehabt. Wer diese Kunst kann, der ist guter Art, zu allem geschickt. Man 
muß Musicam von Not wegen in der Schule behalten. Ein Schulmeister 
muß singen können, sonst seh' ich ihn nicht an." Johannes Walther 
bezeugt von Luther: „Ich habe gar manche liebe Stunde mit ihm gesungen 
und oftmals gesehen, wie der teure Mann so fröhlich im Geiste ward, 
daß er des Singens schier nicht konnte müde und satt werden." — Zur 
Gesangslust, die im Winter zumal gepflegt ward, kam die sommerliche 
Gartenlust. Welch einen verständnisinnigen Verkehr Luther mit der 
Kreatur draußen gepflogen, wie er mit seinem Glaubensblick ins Innere 
der Natur gedrungen — seine Predigten von der Auferstehung, seine Tisch¬ 
reden von Gottes Schöpfung bezeugen es. Er kaufte sich zur Pflege dieses 
Verkehrs Garten und Acker. Er fischte mit Käthe im Teich. Dem Freunde, 
bei dem er Sämereien bestellte, schrieb er: „Wenn der Satan mit seinen 
Gliedern tobt und wütet, so will ich ihn verlachen und des Schöpfers 
Segen, die Gärten, betrachten und genießen zu seinem Lobe." Im ersten
	        
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