Full text: (6., 7. [und 8.] Schuljahr) (Teil 4)

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17. Die Lüneburger Heide. 
Einer der bekanntesten Teile der großen, norddeutschen 
Ebene ist die im Herzogtum Lüneburg belegene Heide. Sie 
ist weithin berüchtigt. Die Grenze derselben gegen das Kultur— 
land ist oft sehr scharf gezogen, ein Fluß bildet dann wohl 
die Scheide, — meist aber verliert sie sich allmählich. Man 
schreitet aus der fruchtbaren Ebene heraus, die Wiesen werden 
magerer, der Voden sandig gehügelt, die Dörfer liegen weit 
zerstreut von dürftigem Acker umgeben, die Kiefer tritt auf 
und verkündigt mit Birken gemischt den Übergaug zur Heide, 
die schon einzelne Ausläufer entgegensendet. Endlich verschwindet 
die menschliche Nähe und mit ihr der betretene Pfad, und nach 
stundenlanger Wanderung über kahle, von Riedgras und Im— 
mortellen bewachsene Höhenzüge sieht man sich mitten in 
der Heide. 
Ein wunderbar gemischtes Gefühl ergreift den Fremden, 
der sie zuerst betritt. Beklommen steht er still, als sei er 
plötzlich auf einen verödeten, ausgestorbenen Planeten geworfen. 
Da sprießt kein Halm, da grünt kein Baum, da rankt sich 
keine Blume hinan. Da ist nur Himmel und Heide. 
Und dennoch ist es nicht bloß dieses Gefühl der Verlassen— 
heit und Erstorbenheit, welches uns beherrscht. Mitten in 
diese unheimliche Scheu mischt sich leise ein heimlicher Reiz — 
und dieser Reiz heißt Natur. Ja, auch diese sonnenverhrannte, 
ausgezehrte Heide fesselt; denn sie ist doch Natur. Hier in 
der offenen Heide ist kein Kornfeld, keine Straße, kein Dorf; 
die Erde ist noch frei vom Joche der Kultur. Eine einzige, 
kleine Pflanze sperrt ihr den Weg und zwingt sie, machtlos 
ihre Waffen zu strecken. Und so ist denn wirklich die Heide 
ein Stück reiner, ursprünglicher Natur. 
Der Boden der Heide ist großenteils Sand, der sich ent— 
weder in gerader Fläche hinstreckt oder schwache, lang aus— 
laufende Huͤgelwellen auswirft. über den unfruchtbaren Grund 
ist eine sparsame Humusschicht gestreut, und sie genügt dem 
Heidekraut, um sein filzartig zähes Wurzelnetz hineinzuweben. 
Saftlos und spröde entladet sich der Oberstock des Heidekrauts 
in einem Übermaß von Zweigen, die in dichtem Busch nach 
oben drängen und so dem Unterstock nicht Kraft genug lassen, 
um einesteils einen aufstrebenden Stamm zu entwickeln, oder 
andernteils die zahlreichen Zweige mit grünem Blätterschmuck 
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