Full text: (6., 7. [und 8.] Schuljahr) (Teil 4)

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IM. 
Nach kurzer Zeit, wo sich der Senat vorübergehend im 
Stadthause versammelt hatte, wurde das Waisenhaus in der 
Admiralitätsstraße als viertes Rathaus bezogen. Wohl sollte 
dieses nur provisorisch als solches dienen, aber das Verhältnis 
ist nachgerade so dauerhaft geworden, daß bei weitem die meisten 
Menschen in Hamburg nur noch dieses kennen. Und wenn das 
neue Rathaus längst fertig und bezogen sein wird, so wird der 
Volksmund doch noch immer von dem alten Rathaus in der 
Admiralitätsstraße sprechen! Das vierte Rathaus von Hamburg 
hat wahrlich genug durchgemacht. Ganz abgesehen von dem 
schöneren Wiederaufbau der Stadt, der Hamburg erst zu einer 
wirklichen Groß- und Weltstadt im neueren Sinne des Wortes 
machte, fallen in die Zeit von 1842 bis jetzt der große Völker⸗ 
frühling von 1848, das Auftauchen der deutschen und schleswig— 
holsteinischen Frage und ihre klägliche Beantwortung durch Bronzell 
und Olmütz. Die freien Reichsstädte und auch Hamburg waren 
trotz Handel und alledem in vieler Beziehung die konservativsten 
Städte geblieben. Was 1848 nicht zum Austrag kam, das er⸗ 
reichte endlich die neue Verfassung von 1860. Die aus Wahlen 
hervorgegangene, bürgerschaftliche Vertretung verdrängte die alte, 
schwerfällige Urversammlung der Kirchspiele und die Oberalten. 
Die mittelalterliche Thorsperre fiel und bald darauf die Thor— 
aufwartung der Zunftmeister samt dem Zunftwesen. Ungefähr 
gleichzeitig nahm Bismarck die schleswig-⸗holsteinische Frage wieder 
auf und löste mit ihr zugleich die deutsche. Hamburg trat ein 
in den norddeutschen Bund, und die preußische, jetzt die Reichs— 
post, verbannte von hier das buntscheckige, fremdländische Post— 
wesen. Im neuerstandenen Reich mit seiner allgemeinen Wehr— 
pflicht fand auch das hamburgische Bürgermilitär keinen Raum 
mehr. Wer war nicht überzeugt von seiner Wertlosigkeit für 
den Fall eines großen, ernsten Krieges, und doch, wer sah im 
Jahre 1867 ohne Bührung die Fahnen desselben für immer 
zusammenrollend Das Eisenbahnnetz nach Hamburg ist so aus— 
gebaut, daß es kaum noch einer nennenswerten Ergänzung nach 
einer bedeutenderen Stadt bedarf; zahlreiche Dampfer verbinden 
es mit den entferntesten Handelsplätzen der ganzen Welt. Frei 
4 flutet der Verkehr in Hamburgs Thore und Hafen herein und 
4 wieder hinaus! Gefallen ist jetzt der letzte Rest der alten Zer— 
9 rissenheit, die Absperrung gegen den Zollverein, die sich Hamburg 
bis in die jüngste Zeit hinein bewahrte. 
K. Brandt, Lesebuch. IV. 
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