Contents: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

Vom jüngsten Metall. 
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7. Vom jüngsten Metall. 
1. Das jüngste Metall ist ein Berliner Kind. Es war im Jahre 
1825, als es im Laboratorium Friedrich Wöhlers, Professors an der 
dortigen Gewerbeschule, das Licht der Welt erblickte. Seine Mutter 
ist die ganz gewöhnliche Thonerde, die sich in Form von Lehm und Por— 
zellanerde und im Glimmer und Feldspat als Gemengteil einer 
ganzen Unmasse von Gesteinen findet, von uns also fortwährend im 
wahren Sinne des Wortes „mit Füßen getreten“ wird. Niemand 
konnte die glänzenden Eigenschaften ahnen, die den Abkömmling zie⸗ 
ren sollten. Von diesen verriet er aber zu Anfang herzlich wenig; denn 
außer seiner großen Leichtigkeit (spez. Gew. 2,65, also dreimal so 
leicht als Eisen) war nicht viel Gutes an ihm zu entdecken, da er 
sich anfangs nur als graues Pulver darstellte. Da Thonerde Alu- 
mina heißt, nannte man den Sprößling Aluminium, was sich vielleicht 
mit „Thonsilber“ verdeutschen ließe, wenn Thon nicht wiederum ein 
griechisches Wort wäre und Erde bedeutete. Wir könnten vielleicht 
„Lehmsilber“ sagen. Da die Gewinnung sehr umständlich und kost— 
spielig war — die aus Aluminium und Sauerstoff bestehende Thon— 
erde mußte erst in eine Chlor-Aluminium-Verbindung umgewandelt 
und dann mit Kaliummetall zusammengeschmolzen werden — war 
das Produkt sehr teuer. Die ersten Körner des neuen Metalls wurden 
mit dem zwanzigfachen Gewichte an Gold bezahlt. 
Der Franzose St. Claire Deville, welcher die Wöhlerschen Ver⸗ 
suche in etwas anderer Form im großen fortsetzte, konnte schon 1865 
auf der Pariser Ausstellung mit seinem „Lehmsilber“ das größte 
Aufsehen erregen. Französische Phantasie ersah die Baugerüste ganzer 
Städte, Kirchen und Paläste in Aluminium erglänzen und glaubte 
bereits das „eiserne Zeitalter“ überwunden und die Morgenröte eines 
„Aluminiumzeitalters“ aufsteigen zu sehen. Der kleine Prinz Louis 
Napoleon erhielt eine Aluminiumklapper und die Leibgarde des Kaisers 
trug stolz ihre blitzenden Kürasse aus dem leichten Metall. Es war 
für sie aber auch ein überaus kostbarer Schmuck, kostete doch 1856 
das Kilo noch 820 Mark. Erst als man es in England aus dem Kryolith 
Grönlands, der eine Verbindung von Aluminium mit Fluor und 
Natrium ist, darstellen lernte, sank der Preis auf 50 Mark für 
das Kilo. 
Schon zur Zeit des Deville hatte der Heidelberger Professor 
Bunsen auf die Gewinnung des „Lehmsilbers“ aus dem Thon (tiesel— 
saurer Thonerde) mit Hilfe des elektrischen Stromes hingewiesen. 
Leider ließ sich auch hierbei der Thon nicht ohne weiteres verwenden, 
er mußte zuvor präpariert werden; die elektrische Energie aber 
Wohlrabe, Lesebuch. 
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