Schiller.
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2. Und tausend Stimmen werden laut:
„Das ist der Lindwurm, kommt und schaut,
Der Hirt und Herden uns verschlungen!
Das ist der Held, der ihn bezwungen!
Viel andre zogen vor ihm aus,
Zu wagen den gewaltigen Strauß,
Doch keinen sah man wiederkehren;
Den kühnen Ritter soll man ehren!"
Und nach dem Kloster geht der Zug,
Wo Sankt Johanns des Täufers Orden,
Die Ritter des Spitals, im Flug
Zu Rate sind versammelt worden.
3. Und vor den edlen Meister tritt
Der Jüngling mit bescheidnem Schritt;
Nachdrängt das Volk mit wildem Rufen,
Erfüllend des Geländers Stufen.
Und jener nimmt das Wort und spricht:
„Ich hab' erfüllt die Ritterpflicht.
Der Drache, der das Land verödet,
Er liegt von meiner Hand getötet;
Frei ist dem Wanderer der Weg,
Der Hirte treibe ins Gefilde,
Froh walle aus dem Felsensteg
Der Pilger zu dem Gnadenbilde."
4. Doch strenge blickt der Fürst ihn an
Und spricht: „Du hast als Held getan;
Der Mut ist's, der den Ritter ehret,
Du hast den kühnen Geist bewähret;
Doch sprich! was ist die erste Pflicht
Des Ritters, der für Christum ficht,
Sich schmücket mit des Kreuzes Zeichen?"
Und alle ringsherum erbleichen.
Doch er, mit edlem Anstand, spricht,
Indem er sich errötend neiget:
„Gehorsam ist die erste Pflicht,
Die ihn des Schmuckes würdig zeiget."
5. „Und diese Pflicht, mein Sohn," versetzt
Der Meister, „hast du frech verletzt,
Den Kampf, den das Gesetz versaget,
Hast du mit frevlem Mut gewaget!" —
„Herr, richte, wenn du alles weißt,"